Georgien: Russland bombardiert angeblich Gori

Russische Truppen auf dem Weg nach Gori
Russische Truppen auf dem Weg nach Gori(c) REUTERS (Umit Bektas)
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Trotz der Einigung auf einen Friedensplan hat nach georgischen Angaben das russische Militär die georgische Stadt Gori bombardiert und ist mit Panzern in die Stadt vorgerückt. Panzer sollen auch in Richtung Tiflis unterwegs sein.

Die russischen Streitkräfte bombardieren nach Angaben der Regierung in Tiflis erneut die im georgischen Kernland liegende Stadt Gori. Moskau habe damit die Waffenstillstandsvereinbarung gebrochen, sagte der Leiter des georgischen Sicherheitsrats, Alexander Lomaia, am Mittwoch. Von georgischer Seite hieß es, 50 russische Panzer seien nach Gori vorgedrungen. Die russische Armee dementierte diese Angaben umgehend.

Reporter der französischen Nachrichtenagentur AFP berichteten zudem, dass eine Kolonne russischer Panzer und Panzerfahrzeuge von Gori aus in Richtung Tiflis unterwegs sei. Die georgische Hauptstadt Tiflis liegt rund 90 Kilometer südöstlich von Gori.

Georgiens Präsident Michail Saakaschwili sagte wenig später damit übereinstimmend auf CNN, dass die Russen versuchten, Tiflis zu umzingeln. Saakaschwili gab sich kampfbereit: "Wir werden unsere Hauptstadt bis zum letzten Tropfen unseres Blutes verteidigen. Wir werden uns niemals den Russen ergeben." Saakaschwili erklärte, russische Truppen hätten bereits alle Wirtschafts- und Versorgungswege unter ihrer Kontrolle.

Wenig später berichtete CNN jedoch, der russische Konvoi habe angehalten. der russische Generalstabschef Anatoli Nogowizyn dementierte auch diesmal, dass russische Truppen auf Tifls vorrückten. Zeitgleich warf er der georgischen Armee vor, sich nur langsam zurückzuziehen. Die Konzentration georgischer Truppen in der Nähe der Sicherheitszone zwischen Südossetien und dem Rest Georgiens sei Anlass zur Sorge, sagte er in Moskau.

Friedensplan angenommen

Russland und Georgien hatten am Dienstag nach fünf Tagen Krieg um Südossetien und Abchasien einen von der französischen EU-Ratspräsidentschaft vermittelten Friedensplan angenommen. Dieser sieht eine sofortige Einstellung aller Kampfhandlungen sowie einen Rückzug der beiden Armeen auf ihre vorigen Positionen vor. Der Friedensschluss war das Ergebnis mehrstündiger Verhandlungen des französischen Präsidenten und EU-Ratsvorsitzenden Nicolas Sarkozy in Moskau und Tiflis. In der Nacht auf Mittwoch lenkte auch Georgien ein.

Der georgische Präsident Michail Saakaschwili akzeptierte den sechsten Punkt des Friedensplans nicht, wonach der Status der abtrünnigen georgischen Regionen in internationalen Verhandlungen geklärt werden soll. Der russische Außenminister Lawrow beharrte am Mittwoch jedoch auf internationalen Gesprächen über die Unabhängigkeit Südossetiens und Abchasiens. Russland habe Georgiens Wunsch, diesen Abschnitt aus dem Friedensplan zu streichen, nur zugestimmt, weil dies "im Grundsatz nichts ändert". Die Sicherheit der beiden Regionen könne nämlich "unmöglich" unabhängig von ihrem Status geregelt werden, betonte Lawrow.

Abtrünnige Regionen lehnen Gespräche ab

Die selbsternannten Regierungen der abtrünnigen Regionen Südossetien und Abchasien lehnten am Mittwoch Gespräche mit Tiflis ab. "Es kann keine Gespräche mit den Organisatoren eines Völkermordes geben", sagte Südossetiens selbst ernannter Präsident Eduard Kokoity laut einem Bericht der russischen Nachrichtenagentur Interfax.

Die georgischen Truppen haben indes Abchasien verlassen. Die Soldaten seien von russischen Soldaten vertrieben worden, sagte Minister Temur Jakobaschwili am Mittwoch. Ein russischer General hatte zuvor erklärt, dafür seien Separatisten in Abchasien verantwortlich gewesen. Die Abchasen konnten die umkämpfte Kodori-Schlucht erobern.

EU will Friedensmission starten

Die EU-Außenminister verständigten sich bei einer Sondersitzung in Brüssel auf eine Friedensmission für den Kaukasus. Man will den brüchtigen Waffenstillstand überwachen. Konkrete Vorschläge sollen bis Mitte September ausgearbeitet werden, hieß es nach Angaben von Diplomaten in dem Erklärungsentwurf der französischen Ratspräsidentschaft.

Die EU-Minister waren sich uneins, was die Bewertung der russischen Rolle im Konflikt betrifft. Während die baltischen Staaten, Polen und Großbritannien auf eine Verurteilung Moskaus drängten, sagte der französische Außenminister und EU-Ratsvorsitzende Bernard Kouchner, dass er "kein Richter" sei. VP-Außenministerin Ursula Plassnik betonte, die EU solle "alles tun, um diese Situation politisch zu entschärfen".

Auf Antrag der USA sollen kommende Woche in Brüssel auch die Nato-Außenminister zu einer Sondersitzung zusammenkommen, wie das Verteidigungsbündnis mitteilte.

Saakaschwili: "Ich liebe Amerika"

Präsident Saakaschwili warnte Europa unterdessen vor einem groß angelegten Eroberungsfeldzug russischer Streitkräfte in EUropa. Das Baltikum und die Ukraine könnten schon die nächsten Länder sein, sagte Saakaschwili bei einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Er bat erneut die USA um Hilfe: "Es geht nicht nur um Georgien", erklärte er - Washington müsse schleunigst Widerstand in Europa organisieren, da Russland scheinbar in einem Eroberungskrieg die alte Sowjetunion wiederherstellen wolle. "Ich liebe Amerika", sagte Saakaschwili. Vor Russland habe er immer gewarnt.

Bush: Russland soll Aktivitäten einstellen

Präsident George W. Bush äußerte sich in einer Reaktion am Mittwoch besorgt über die anhaltenden Aktivitäten des russischen Militärs in Georgien. Er erwartet von Russland ein Einstellen der Aktivitäten und einen Abzug der Truppen aus Südossetien. Als Zeichen der Unterstützung der USA wird Außenministerin Condoleezza Rice nach Tiflis reisen.

(Ag./Red.)

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