Nordkorea: Marschieren und tanzen für den Führer

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Zum 60. Jahrestag der "Demokratischen Volksrepublik Nordkorea" werden Jubelfeiern abgehalten. Eine Ablenkung von den Problemen des Landes.

PJÖNGJANG/Peking. Im Leben der Koreaner sind 60. Geburtstage traditionell besonders wichtig. Es verwundert also nicht, dass Kims Sohn, der „Liebe Führer“ Kim Jong-Il, den heutigen Jahrestag mit Pomp und Gloria feiern will: Vor 60 Jahren gründete der „Große Führer“ Kim Il-Sung die „Demokratische Volksrepublik Korea“.

So will er am 9. September eine Militärparade sowie einen Massen-Fackelzug abnehmen. Der Tag fällt aber in eine Zeit enttäuschter Hoffnungen und erhöhter Spannungen. So stockt erneut der Abbau des Atomprogramms. Begründung Pjöngjangs: Die USA hätten ihr Versprechen gebrochen, Nordkorea von der Liste der Terrorstaaten zu streichen. Die Amerikaner wiederum betonen, sie benötigten mehr Informationen, wo und wie viel atomwaffenfähiges Material noch in Nordkorea versteckt sei.

Gleichzeitig ist das Verhältnis zu Südkorea so schlecht wie lange nicht. Der neue südkoreanische Präsident Lee Myung-bak hat einen großen Teil der Hilfen für den Norden gestoppt. Zudem erregt der Tod einer südkoreanischen Touristin die Gemüter, die von einer nordkoreanischen Soldatin erschossen worden war.

Die Lage ist so ernst, dass die Nachbarn wie China und Japan fürchten, Kim werde zum Jahrestag versuchen, wieder einmal Stärke zu demonstrieren, etwa mit einem neuen Raketentest.

Inszenierte Massengymnastik

Bis zu Hunderttausend Darsteller zeigen derzeit im Mai-Stadion von Pjöngjang die neueste Version der Massengymnastik-Vorstellung „Arirang“. Unter dem Titel „Es gedeihe das Vaterland“ treten nachmittags im selben Stadion 50.000 Darsteller zu einer abgespeckten zweiten Gymnastik-Schau auf. Nordkoreanische und andere Reisebüros locken mit „präzisen Massenchoreographien“, in denen Episoden aus der revolutionären Vergangenheit sowie der „großartige Entwicklungsstand der Gegenwart“ nachgestellt werden.

Kein anderes Land kann Massengymnastik so präzise in Szene setzen wie Nordkorea, wie jüngst auch der chinesische Filmregisseur Zhang Yimou bestätigte, der die Eröffnungs- und Schlussveranstaltung der Olympischen Spiele in Peking inszeniert hatte. „Diese Art der Uniformität bringt Schönheit hervor“, erklärte er.

Um den bunten Hintergrund mit ständig wechselnden Bildern über die Länge des Stadions auf den Bruchteil der Sekunde genau einzustudieren, haben Schüler von acht Pjöngjanger Mittelschulen monatelang nach dem Unterricht geübt. Das Leben tausender Kinder, Soldaten und Künstler ist auf das Arirang-Training und die Straßenparaden ausgerichtet.

Zu erschöpft für Proteste

Kim will damit offensichtlich von den Problemen des Landes ablenken. Eine Bevölkerung, die ständig in Bewegung gehalten wird und immer schon für die nächste große Zeremonie Saltos schlägt, ist zu erschöpft, um sich gegen das Regime zu wehren.

Stromausfall und Mangelernährung gehören zum Alltag. In diesem Jahr hat die südkoreanische Regierung keinen Dünger liefern lassen. Viele Nordkoreaner versuchen durch Kleinhandel und private Geschäfte über die Runden zu kommen – auch wenn ihre Regierung an der Planwirtschaft festhält. Um das Militär und die Eliten in Pjöngjang ruhig zu halten, werden Vorzugsrationen an Soldaten und Staatsangestellte vergeben.

AUF EINEN BLICK

Vor 60 Jahren gründete der „Große Führer“ Kim Il-Sung die „Demokratische Volksrepublik Korea“. Kims Sohn, der „Liebe Führer“ Kim Jong-Il, lässt den Jahrestag mit Fackelzug und Militärparade feiern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2008)

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