Chavez: „Geht zum Teufel, ihr Scheiß-Yankees“

(c) AP (Esteban Felix)
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Nach Bolivien weist auch Venezuela den US-Botschafter aus; wegen angeblicher Umsturzpläne der USA.

BUENOS AIRES. Der Mann war ganz in seinem Element: vor sich eine johlende rotgewandete Masse, hinter sich eine Gruppe rotgekleideter Schranzen und auf dem massigen Leib – das rote Hemd, das längst sein Markenzeichen ist.

Hugo Chávez, gewählter Staatschef von Venezuela und Schutzpatron des bolivianischen Präsidenten Eco Morales, rupfte sich seine Uhr vom Arm und las vor: „Es ist jetzt Viertel nach sieben. Ich gebe dem Botschafter der Vereinigten Staaten 72 Stunden Zeit, das Land zu verlassen.“ Aus Solidarität mit Bolivien mache er das Gleiche wie Evo Morales, der am Abend zuvor den US-Botschafter seines Landes verwiesen hatte.

Auch USA weisen Botschafter aus

Die USA zahlten es mit gleicher Münze heim: Nach dem bolivianischen wurde am Freitag auch der venezolanische Botschafter zur unerwünschten Person erklärt.

Wobei Chávez hier Washington zuvorkam, indem er den Diplomaten bereits zurückbeordert und angekündigt hatte, sdie Botschaft erst wieder zu besetzen, wenn eine neue Regierung in Washington regiere. „Eine Regierung, die Lateinamerikas Völker respektiert.“ Wieder einmal verdächtigte er die US-Regierung, ein Komplott gegen ihn geschmiedet zu haben. Und, inzwischen zur Höchstform aufgelaufen, rief er: „Geht zum Teufel, ihr Scheiß-Yankees, hier ist ein Volk mit Würde! Damit ihr's wisst, Scheiß-Yankees, unser Volk hat beschlossen, frei zu sein, koste es, was es wolle. Basta mit eurer ganzen Scheiße, Yankees.“

Stunden zuvor hatte Chávez düster angedroht, sein Militär nach Bolivien zu schicken, falls Morales etwas zustoßen sollte. Auch dieser hatte den USA vorgeworfen, seinen Umsturz zu betreiben.

Bolivien versinkt im Chaos

Während US-Botschafter Philip Goldberg in La Paz die Koffer packen musste, versanken fünf bolivianische Provinzen im Chaos. Mindestens zwölf Menschen starben bei gewaltsamen Konflikten zwischen Morales-Gegnern und Anhängern des Präsidenten. In der nordöstlichen Provinz Pando wurden Bauern, die für Morales marschierten, regelrecht zusammengeschossen. Die Regierung beschuldigte den Provinzgouverneur Leopoldo Fernández.

In der Protesthochburg Santa Cruz haben Morales-Gegner alle Gebäude zentralstaatlicher Institutionen wie die Steuerbehörden, die Telefongesellschaft und den staatlichen Rundfunk besetzt. Gleichzeitig legten Morales-treue Kokabauern einen Belagerungsring um die Tieflandmetropole.

In der Südprovinz Tarija sabotierten Separatisten die wichtigsten Gaspipelines und drehten Argentinien den Gashahn ab. Auch der Gasexport nach Brasilien funktionierte sieben Stunden lang nur auf halbem Niveau.

Erdgas ist die wichtigste Einnahmequelle des ärmsten Landes Südamerikas, in dem über 60 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze leben müssen. Und am Erdgas entzündete sich der aktuelle Konflikt. Die Gouverneure von fünf Provinzen akzeptieren nicht, dass die Regierung aus den Gaseinnahmen eine staatliche Mindestrente finanziert.

In Wahrheit richtet sich die Revolte in den etwas wohlhabenderen Ostprovinzen gegen Regierungspläne, eine neue Verfassung per Volksentscheid beschließen zu lassen. Diese Magna Carta garantiert der seit jeher benachteiligten indianischen Mehrheit des Landes größere Rechte, stärkt den Zentralstaat sowie dessen Zugriff auf die Einnahmen aus der Erdgasförderung und sieht Höchstgrenzen für Landbesitz vor.

Seit Jahren blockieren die Provinzen alle parlamentarischen Wege für eine Verfassungsreform. Nachdem der ebenso sture Morales am 10. August von 68 Prozent seiner Landsleute im Amt bestätigt wurde, sind die Chancen auf Kompromisse noch weiter geschwunden. Glosse Seite 43

AUF EINEN BLICK

In Bolivien haben sich mehrere Provinzen im Osten für autonom erklärt, weil die Zentralregierung deren Gaseinnahmen verstärkt anzapfen will. Seit Wochen kommt es zu Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern des sozialistischen Präsidenten Evo Morales. Dieser wies nun den amerikanischen Botschafter aus, weil er die Sezessionisten unterstützt haben soll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2008)

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