Simbabwe: Robert Mugabe bleibt im Zentrum der Macht

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Mugabe(c) Reuters (Str)
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Präsident Robert Mugabe und Oppositionschef Morgan Tsvangirai haben ein Koalitionsübereinkommen unterschrieben, das im Land allerdings eher auf Skepsis denn auf helle Begeisterung stößt.

KAPSTADT. Große Erleichterung und tiefe Skepsis: Der Koalitionsvertrag, der gestern Vormittag von Präsident Robert Mugabe und Ministerpräsident Morgan Tsvangirai unterschrieben wurde, hat bei den wenigsten Simbabwern Jubel ausgelöst. Die Reaktionen reichen vom Mut der Verzweiflung bis zu der Voraussage, die politische Zweckehe sei von vorne herein zum Scheitern verurteilt.

Die Reden von Mugabe (84) und Tsvangirai (56) nach der feierlichen Unterzeichnung in einem Hotel in Harare machten sofort deutlich, wie weit die Positionen der beiden Politiker und ihrer Parteien, der ZanuPF und der MDC, noch auseinanderliegen. Während der neue Ministerpräsident dazu aufrief, die „Tore des Landes“ für sofortige Hilfsmaßnahmen zu öffnen, pochte der Präsident auf die Unverletzlichkeit der Souveränität; während Tsvangirai die Anhänger aller Parteien anhielt, die Zerrissenheit der Vergangenheit zu vergessen, warnte Mugabe davor, denjenigen zu vertrauen, „die uns ihren Willen aufsetzen wollen“.

Als der Südafrikaner Thabo Mbeki, Vermittler zwischen den langjährigen Konfliktparteien, zu einem gemeinsamen Händedruck fürs historische Foto bat, blieb Mugabes Miene starr, während Tsvangirai und der Chef des zweiten MDC-Flügels, Arthur Mutambara, breit lächelten. Bezeichnenderweise musste Mbeki anschließend vor der Presse den Eindruck korrigieren, es gäbe bereits eine endgültige Vereinbarung über die neuen Regierungsformen. „Die Verfassung der neuen Einheitsregierung wird zwar diskutiert, ist aber noch nicht abgeschlossen”, stellte Mbeki klar. Das erklärt, warum Einzelheiten des 52 Seiten starken Vertrages, den die drei Politiker gestern unterschrieben, immer noch nicht der Öffentlichkeit in Simbabwe bekanntgemacht wurden.

Selbst hohe Parteifunktionäre von Tsvangirais MDC tappen im Dunkeln.

„Kein Deal besser als ein schlechter Deal“

Schatzmeister Roy Bennett, der vor drei Jahren aus Simbabwe ins benachbarte Südafrika fliehen musste, nachdem er fast ein Jahr in einem dunklen Verließ eingesperrt war, weiß nicht konkret, welche Regierungsgeschäfte seine Partei nun versehen wird. „Tut mir leid, ich kenne wirklich keine Details“, erklärte Bennett gestern auf Anfrage – und gab zu, „eher skeptisch“ zu sein.

Die Meinungen, ob Tsvangirai diesen Kompromiss überhaupt hätte unterschreiben sollen, gehen weit auseinander. Er hatte während der siebenwöchigen Verhandlungen mehrfach wiederholt: „Kein Deal ist besser als ein schlechter Deal.“ Einerseits hält man dem ehemaligen Gewerkschaftsführer, der von Mugabes Schergen verprügelt, verhaftet und des Landesverrates bezichtigt wurde, zugute, er habe die große Not seiner Landsleute vor seine persönlichen Machtansprüche gestellt. Immerhin hatte die „Bewegung für Demokratischen Wandel“ (MDC) am 29. März eindeutig die Parlamentswahlen gewonnen. Andererseits wird ihm vorgeworfen, sich nun mit einem künstlichen, zweiten Machtzentrum, einem Staatsrat („Council of Ministers“) zufriedenzugeben, die nichts anderes als eine „Spielwiese von Mugabes Gnaden“ sei, wie ein Landeskenner spöttisch meint.

„In allen Entscheidungen das letzte Wort“

Nachdem, was bisher durchsickerte, soll die MDC künftig die Kontrolle über Finanzen, Außenpolitik und Innenpolitik, inklusive der Kontrolle über die Polizei, erhalten. Mugabe bleibt Staatsoberhaupt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Kabinettschef. Im Kabinett stellt Mugabes ZanuPF-Partei 15 Minister, Tsvangirais MDC 13 und Mutambaras MDC drei. Die beiden MDC-Flügel wollen jedoch zusammenarbeiten und hätten demnach eine hauchdünne Mehrheit. Die Zusammenarbeit zwischen Kabinett und Staatsrat wird wesentlich über den Erfolg der Einheitsregierung entscheiden. Der Verfassungsexperte Lovemore Madhuku sieht in diesem Punkt das schon heute absehbare Scheitern.

„Mugabe hat in allen Entscheidungen praktisch das letzte Wort. Der Staatsrat kann nur Vorschläge machen, das ist so etwas wie ein Stelldichein von Ministern bei einer Beerdigung. Das Abkommen ist nichts wert“, meint Madhuku.

Wirtschaft seit fünf Jahren im freien Fall

Simbabwes Wirtschaft befindet sich seit fünf Jahren im freien Fall. Die Inflationsrate liegt bei mindestens 15 Millionen Prozent. Im Juli führte Simbabwe einen 100-Milliarden-Simbabwe-Dollar-Schein ein, für den man sich aber nur einen Laib Brot kaufen konnte. Im August wurden die Nullen gestrichen, der 100-Dollar-Schein hat aber eher Sammlerwert: Bei Ebay ist der Schein um 20 Euro zu haben. Fünf Millionen Simbabwer sind dringend auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen; die Verteilung der Lebensmittel wird aber noch von Funktionären der ZanuPF kontrolliert. Bewohner von Gemeinden, die mehrheitlich für die MDC votierten, gehen meistens mit leeren Händen nach Hause. Hunderttausende bekämen nur noch eine karge Mahlzeit alle zwei Tage, teilte kürzlich ein Mitarbeiter des Internationalen Roten Kreuzes nach einer Rundreise durch Simbabwe mit. Glosse Seite 39

AUF EINEN BLICK

Das Abkommen für Simbabwe sieht vor, dass Robert Mugabe als Präsident weiter das Kabinett leitet. Als zweites Machtzentrum ist ein Ministerrat gedacht, der vom bisherigen Oppositionschef Morgan Tsvangirai geleitet wird. Eine neue Verfassung, in der dies festgeschrieben wird, ist erst auszuarbeiten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2008)

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