Hongkong macht Demonstranten nur vage Versprechen

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epaselect CHINA HONG KONG OCCUPY CENTRAL(c) APA/EPA/ROLEX DELA PENA (ROLEX DELA PENA)
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Kein Durchbruch bei ersten direkten Gesprächen mit Regierung. Verwaltungschef Leung lehnt Demokratie ab, weil er „zu viel Einfluss für Arme“ befürchtet.

Peking/ Hongkong. Die Erschöpfung ist den jungen Demokratie-Aktivisten bereits kurz nach der Halbzeit der zweistündigen Gespräche anzusehen. Aber sie halten durch. „Sie haben die Wahl“, sagt der 21-jährige Lester Shum. Er hat Tränen in den Augen, als er sich im Schlussplädoyer an die Vertreter der Hongkonger Führung wendet. „Entweder sie unterstützen uns. Oder sie werden als diejenigen in die Geschichte eingehen, die Hongkong die Demokratie rauben.“

Die Anführer der Hongkonger Studentenvereinigung haben sich am Dienstagabend in den Räumen der Hongkong Universität einen zum Teil heftigen Schlagabtausch mit der Hongkonger Führung geliefert. Fünf Vertreter der Aktivisten saßen auf der einen Seite, fünf Vertreter der Regierung auf der anderen. Es handelte sich um das erste offizielle Gespräch, seitdem vor nunmehr vier Wochen die Demokratieproteste in der Sieben-Millionen-Einwohner-Metropole ausgebrochen sind.

„Demonstranten brachen das Gesetz“

Tausende gehen seitdem fast jeden Abend auf die Straße. Sie fordern, dass die Führung in Peking ihre Pläne für die Wahlen im Jahr 2017 zurücknimmt: Denn die KP-Führung will zwar freie Wahlen zulassen, dabei aber die Kandidaten selbst auswählen. Die Demonstranten bezeichnen dieses Verfahren als Farce und fordern freie Wahlen, die die Bezeichnung auch verdienen.

Das Hongkonger Fernsehen übertrug die Gespräche am Dienstag live. An den drei Protestcamps in der Stadt, vor dem Regierungsgebäude im Stadtteil Admiralty, in Causeway Bay und im Stadtteil Mongkok auf der gegenüberliegenden Halbinsel Kowloon versammelten sich bereits am späten Nachmittag Zehntausende, um die Gespräche mitzuverfolgen.

Gleich zu Beginn warf Hongkongs Verwaltungschefin Carrie Lam den Aktivisten vor, sie hätten mit ihren Demonstrationen gegen die Gesetze verstoßen. Sie könne den Idealismus der prodemokratischen Demonstranten ja verstehen, sagte sie. Aber sie dürften eben keine Gesetze brechen. Es sei der Besonnenheit der Hongkonger Polizei zu verdanken, dass die Proteste nicht noch weiter eskaliert sind. Später gab sie sich versöhnlicher. Die chinesische Führung in Peking habe den Hongkongern bereits weitreichende Freiheiten eingeräumt, die in vollem Umfang genutzt würden. Zugleich warb sie um Verständnis: „Wir sind eine Sonderverwaltungszone, aber kein unabhängiger Staat.“ Über weitere Reformen könne später noch diskutiert werden.

Klage gegen Straßenbesetzung

Die Vertreter der Demokratie-Aktivisten gaben sich mit dieser vagen Zusage nicht zufrieden. Sie forderten einen genauen Zeitplan, mit welchen konkreten Schritten die Hongkonger „auf dem Weg zu einer wahren Demokratie“ rechnen könnten. Verwaltungschefin Lam blieb ihnen bis zum Ende der Gespräche eine Antwort schuldig.

Hongkongs umstrittener Regierungschef Leung Chun-ying nahm an den Gesprächen nicht teil. Dennoch löste er bereits vor Beginn des Dialogs zusätzlichen Ärger unter den Demonstranten aus: In einem Interview mit mehreren US-Zeitungen sagte er am Montag, ein Nachgeben bei den Forderungen würde den Armen in der Stadt zu viel Mitspracherecht einräumen. Angeblichen „ausländischen Kräften“ gab er zudem eine Mitschuld an den Auseinandersetzungen der vergangenen Wochen. „Das ist keine reine inländische Bewegung“, sagte er in einem Fernsehinterview.

Studentenführer Alex Chow wies diese Äußerungen scharf zurück. Der Regierungschef habe keine Beweise vorgebracht und wolle stattdessen die Bewegung gezielt diskreditieren. Das sei unverantwortlich. Leungs Ausführungen über die Armen der Stadt bezeichnete Chow als „entlarvend“.

Zusätzlicher Gegenwind bläst den Demokratie-Aktivisten von Hongkongs Justiz entgegen. Das Oberste Gerichtshof erließ am Montag eine einstweilige Verfügung gegen die Besetzung des Geschäftsviertels Mongkok. Ein Richter gab einer Vereinigung von Taxifahrern und einem Busunternehmen recht, die ihr Geschäft durch die Demonstrationen beeinträchtigt sehen. Die Besetzung der Straßen durch Aktivisten sei ein „öffentliches Ärgernis“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2014)

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