Ungarn/USA: Mysteriöse sechs auf der Watchlist

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Immer noch ist unklar, welche ungarischen Offiziellen Amerika mit Einreiseverboten belegt hat. Doch sie scheinen versucht zu haben, Schmiergelder von US-Firmen einzustreifen.

Budapest. Das Rätselraten in der Causa um die US-Einreiseverbote gegen ungarische Offizielle geht munter weiter. Um Klarheit in die Sache zu bringen, tagte inzwischen auf Initiative der Opposition der Parlamentsausschuss für Nationale Sicherheit. Als Erster wurde Kanzleramtsminister János Lázár angehört. Er hielt sich bedeckt und sagte lediglich, dass die USA vermutlich von „konkreten Korruptionsfällen“ wüssten, diese Informationen aber nicht offenlegen wollten.

Das hat aber einen guten Grund: Im konkreten Fall Ungarn kommt die von Ex-US-Präsident George W. Bush im Jahr 2004 eingeführte Proklamation 7750 zum Tragen. Diese sieht eine Einreisesperre gegen Personen vor, die sich der Korruption schuldig gemacht haben. Allerdings: Die Proklamation 7750 schreibt absolute Geheimhaltung vor. Mithin ist es auch höchst unwahrscheinlich, dass die USA die Namen der Betroffenen öffentlich bekannt geben werden.

Außenminister Péter Szijjártó reiste am Dienstag dennoch in die USA, um Licht in die Causa zu bringen. Seine US-Visite blieb ohne Ergebnis. Unterdessen erklärte der US-Geschäftsträger in Budapest, André Goodfriend, dass sich die Einreisesperre auf sechs regierungsnahe Personen in Ungarn bezieht. Zuvor war vage von „weniger als zehn Personen“ die Rede gewesen.

Bei der Frage, um welche Korruptionsfälle es sich handeln könnte, lieferte das Nachrichtenportal Index Anhaltspunkte. Das Portal verwies auf frühere Medienberichte, wonach Unbekannte zwei Milliarden Forint (über 6,5 Millionen Euro) an Schmiergeldern von zwei in Ungarn tätigen US-amerikanischen Firmen verlangt hätten.

Im Gegenzug sei den Firmen neben Steuererleichterungen und der Senkung ihres Mehrwertsteuersatzes auch versprochen worden, ihre Konkurrenz mit Untersuchungen und Strafen zu schikanieren. Das Schmiergeld hätte von den bevorteilten Unternehmen in eine regierungsnahe Stiftung eingezahlt werden müssen, mit fingiertem Verwendungszweck, versteht sich.

Betrügerisches Netzwerk

Die US-Firmen sträubten sich indes, das Angebot anzunehmen und meldeten die Sache den Behörden in Washington. Eine der betroffenen Firmen ist der Speiseölhersteller Bunge. In den ungarischen Supermärkten sind die Produkte des US-Unternehmens in der Regel um 30 bis 40Prozent teurer als andere Speiseöle. Der Grund für den massiven Preisunterschied ist spätestens seit dem „Auspacken“ des ehemaligen Mitarbeiters der ungarischen Steuerbehörde, NAV, András Horváth, bekannt, der schon vor Monaten von einem „Mehrwertsteuerbetrugsnetzwerk“ sprach, von dem auch US-amerikanische Firmen, darunter Bunge, negativ betroffen seien.

Hinter der harten Gangart der USA gegen Ungarn dürften aber nicht nur Korruptionsfälle stehen. Die US-Regierung hat der Regierung von Viktor Orbán zuletzt mehrfach signalisiert, dass Ungarn in ihren Augen vom demokratischen Weg abgerückt sei. Dass zwischen den USA und Ungarn der Haussegen schief hängt, untermauerte diese Woche auch der US-Geschäftsträger in Budapest, André Goodfriend. Er mahnte, dass das „ungarisch-amerikanische Bündnis“ in Gefahr sei, sollte sich die Situation in Ungarn nicht ändern.

Orbán völlig überrascht

Wie die linksliberale Tageszeitung „Népszabadság“ berichtete, wurde Premier Orbán vom Einreiseverbot völlig überrascht. Orbán betrachte die Affäre als „sehr ernst“. Laut „Népszabadság“ ist der Regierungschef vor allem deshalb genervt, weil die versuchte Korrumpierung des US-amerikanischen Speiseölherstellers Bunge erst im Juni dieses Jahres geschah und die ungarischen Behörden bei den Ermittlungen seither weitgehend untätig geblieben sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2014)

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