Griechenland: Fischer mahnt Europas Sorgenkind

BUNDESPRAESIDENT FISCHER IN GRIECHENLAND: FISCHER / POPOULIAS
BUNDESPRAESIDENT FISCHER IN GRIECHENLAND: FISCHER / POPOULIASAPA/BUNDESHEER/PETER LECHNER
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Bundespräsident Heinz Fischer sprach mit der Regierung Samaras über die Fortsetzung der Reformpolitik. Und er traf den Star der griechischen Linken, Alexis Tsipras.

Athen. Gemeinsame Probleme gab es, abgesehen vom Terrorismus, kaum zu besprechen. Und so sammelte Bundespräsident Heinz Fischer bei seinem Arbeitsbesuch in Athen von Mittwoch auf Donnerstag vor allem Impressionen über den Überlebenskampf der griechischen Regierung, aus erster Hand.

Der Chef des kleinen sozialistischen Koalitionspartners Venizelos erklärte nach seinem Treffen mit Fischer, dass dieser die Anstrengungen des Landes, die direkte Kontrolle der Gläubiger-Troika abzuschütteln, „unterstützt“. Das 240-Mrd.-Euro-Hilfsprogramm für Griechenland läuft nächstes Jahr aus. Doch die Aussicht, dass Athen sich demnächst wieder über die internationalen Märkte finanzieren will, schreckt die Finanzwelt – die Zinsen für griechische Staatsanleihen stiegen zuletzt stark. Ein schwerer Rückschlag für die „Exit“-Strategie.

Auch Fischer erklärte, dass das Ende der direkten Aufsicht „keinen Kurswechsel“ in der Reformpolitik zur Folge haben darf.

Nach einer missglückten Reform der Immobilienbesteuerung im Sommer, die die vielen Grundbesitzer Griechenlands auf die Barrikaden trieb, ist der Wille zu weiteren Einsparungen und Rationalisierungen im Staatsapparat erlahmt. Angesichts der knappen Mehrheit der Koalition im Parlament sorgt im Normalfall jede Petition, die von mehr als vier Abgeordneten der Regierung unterzeichnet wird, für die Verwässerung wichtiger Vorlagen.

Neue Staatskrise droht

Fischer eröffnete Mittwochabend eine Ausstellung über den Ringstraßenarchitekten Theophil Hansen – und zwar gemeinsam mit Gastgeber Karolos Papoulias. Der griechische Präsident könnte demnächst im Mittelpunkt einer Staatskrise stehen, seine Amtszeit läuft im Frühjahr ab, und wenn die Koalition nicht die notwendige verstärkte Mehrheit von 180 Stimmen im 300-köpfigen Parlament zustande bringt, um einen neuen zu bestellen, müssen Parlamentswahlen stattfinden. Der konservative Regierungschef, Antonis Samaras, dessen Koalition nur noch über 154 Sitze verfügt, gab sich Fischer gegenüber optimistisch. Wenn man einen „starken Kandidaten“ für das Amt finde, würden ausreichend Stimmen bei der gemäßigten Links- und Rechtsopposition gefunden werden. Wer dieser Kandidat sein wird, wollte er nicht verraten.

Alexis Tsipras, dessen Partei in allen Umfragen mindestens vier Prozent vorn liegt, erklärte bereits, dass er keinem Kandidaten der Regierung zustimmen werde. Den charismatischen Polit-Jungstar traf Fischer zum ersten Mal. Wie zuletzt häufiger gab sich Tsipras nicht als linker Bilderstürmer, sondern betonte die proeuropäische Identität seiner Partei. Die Aspekte seiner Politik, die die europäischen Partner vor den Kopf stoßen, rückte er erneut in den Hintergrund: Das wäre vor allem ein teilweiser Schuldenschnitt – die Staatsschuld liegt bei 175Prozent des Volkseinkommens. Auch die Spar- und Reformabkommen mit den Partnern, die er „zerreißen“ wollte, sind kein Reizthema mehr, sie laufen ohnehin aus. Tsipras' Priorität ist, wie er erklärt: Wachstum. Er hat Glück: Gespart haben zumindest in Griechenland schon andere.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2014)

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