Uruguay: Der Siegeszug des konservativen Strahlemanns

Luis Lacalle Pou will Vasquez als Präsident von Uruguay nachfolgen.
Luis Lacalle Pou will Vasquez als Präsident von Uruguay nachfolgen.(c) APA/EPA/Federico Gutierrez
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Der südamerikanische Kleinstaat hat eine bemerkenswerte Entwicklung durchgemacht und konnte die Armutsquote stark senken. Trotzdem ist dem linken Präsidenten ein gefährlicher Konkurrent erwachsen.

Die Wahl schien noch vor einem halben Jahr eine gemähte (Pampa-) Wiese. Uruguay, der Kleinstaat zwischen den Riesen Brasilien und Argentinien, kann auf ein sehr erfreuliches Jahrzehnt zurückblicken. Die Wirtschaft des 3,2-Millionen-Einwohner-Landes wuchs jährlich um rund fünf Prozent. Die Armutsquote konnte so stark reduziert werden wie in keinem anderen Land des Kontinents, und der Wert der extremen Armut ist der geringste der ganzen Region, ebenso ist der Wohlstand weniger ungerecht verteilt als in allen Ländern des Kontinents.

Uruguay ist das erste Land der Welt, das alle Grundschüler mit einem Laptop ausgestattet hat und das eine beeindruckende Volte von fossilen zu erneuerbaren Energieträgern fertigbrachte. Binnen weniger Jahre konnte der Anteil Letzterer auf mehr als 40 Prozent gesteigert werden. Die Welt begann zu staunen über das kleine Land, dessen Präsident neun Zehntel seines Gehaltes spendet und das den Anbau von Marihuana legalisiert, um dem Drogenhandel einen Teil der Einkünfte zu nehmen. Selbst die Gralshüter der freien Marktwirtschaft, die Redakteure des britischen Magazins „The Economist“, kürten im Vorjahr den Kleinstaat zum „Country of the Year“.
Doch nun hat die Regierung, die all diese Lorbeerkränze aufgesetzt bekam, ein Problem: Sie muss um ihre Wiederwahl fürchten.

Wenn am Sonntag die Uruguayos ihrer Wahlpflicht nachkommen, wird aller Voraussicht nach Tabaré Vásquez die meisten Stimmen erhalten. Der 74-Jährige war 2006 der erste Vertreter einer linken Partei, der es ins Präsidentenamt schaffte. An der Spitze der „Breiten Front“ legte er die Grundlagen für die Erfolge, mit denen Nachfolger José Mujica das Land zurück auf die Weltkarte brachte. Zwischen 40 und 42 Prozent Zustimmung ermittelten die Umfrageinstitute für den Onkologen, der sich schon als Bürgermeister von Montevideo den Ruf erwarb, effizienter und transparenter zu regieren als auf dem Subkontinent üblich.

Offener zweiter Wahlgang

Weil die Verfassung jedoch mindestens 50 Prozent der Stimmen verlangt, muss sich Vásquez auf einen zweiten Wahlgang am 30. November vorbereiten. Doch dessen Ausgang ist offen. Denn Vásquez ist – zum allseitigen Erstaunen der politischen Szene – aus dem Nichts ein Herausforderer erwachsen. Als Luis Lacalle Pou im Juli zu den parteiinternen Vorwahlen des konservativen Partido Nacional antrat, hatte er nicht viel mehr vorzuweisen als seinen ersten Nachnamen. Der 41-jährige Anwalt und Abgeordnete ist der Sohn von Luis Alberto Lacalle, der zwischen 1990 und 1995 das Land regierte. Die Lacalles gehören zu der traditionellen Oberschicht, die ihr Selbstverständnis und ihre ökonomische Position aus der Landwirtschaft bezieht, die – neben dem Fußball – immer noch Uruguays Identität prägt.
Lacalle Pous Umfragewerte liegen derzeit bei über 32 Prozent, was ihm einen soliden zweiten Platz sichert, vor Pedro Bordaberry, dem Kandidaten der Colorado-Partei. Weil diese als noch konservativer gilt, muss sich die „Breite Front“ darauf einstellen, dass die meisten Colorado-Wähler bei der Stichwahl das Kästchen Lacalle Pous ankreuzen.

Unbeirrbarer Optimist

Das ist zunächst die Folge einer fast fehlerlosen Kampagne von Lacalle Pou, der – im Gegensatz zu Vásquez – die sozialen Medien beherrscht und einsetzt und der einen unbeirrbaren Optimismus zu seinem Markenzeichen erhoben hat. Der Strahlemann ist Uruguays Vertreter einer Generation von 40-jährigen Konservativen, die erkannt haben, dass das Erbe des „roten Amerika“ nicht anzutreten ist, ohne die Errungenschaften des letzten Jahrzehnts zumindest verbal zu akzeptieren.
Leitfigur dieser „sanften Rechten“ ist der Venezolaner Henrique Capriles, der im Vorjahr trotz massiver Benachteiligung fast die Präsidentschaft erobert hätte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2014)

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