Korruption: Serbien im Griff der Oligarchen

DRAGOLJUB MICUNOVIC
DRAGOLJUB MICUNOVIC (c) AP (SRDJAN ILIC)
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Tycoons halten Politiker am Gängelband – zulasten der Bevölkerung.

Belgrad. Es war eine Standpauke, die sich gewaschen hat: Dragoljub Micunovic, der große alte Mann von Serbiens Demokratischer Partei (DS), hat offenbar vom trüben Treiben der heimischen Politik genug. Die Regierung müsse sich von den Tycoons endlich abgrenzen, redet der frühere Parlamentspräsident und DS-Mitgründer zum achten Jahrestag von Serbiens demokratischer Wende vor allem den eigenen Parteifreunden ins Gewissen.

Die Oligarchen, die sich einen großen Teil Serbiens zusammengekauft hätten, verfügten über Monopole und Privilegien, die sie bei der Privatisierung weder auf saubere noch faire Art erworben hätten, klagt der 78-jährige Philosoph. Keiner von ihnen habe sich auf dem freien Markt als großartiger Geschäftsmann bewiesen, sondern nur von der Sympathie staatlicher Organe und politischer Unterstützung profitiert: „Doch wer glaubt, dass man Parteien wie Felder und Läden kaufen kann, der irrt sich.“

Gießkanne über mehrere Parteien

Nicht ganz, denn in Serbien sind Politik und Wirtschaft eng verquickt. Eingestanden werden die Bande aber weder von den Parteifürsten noch von ihren Sponsoren. Zwar müssten Parteispenden von mehr als umgerechnet 75Euro eigentlich veröffentlicht werden. Doch vor allem bei der Finanzierung der Wahlkampagnen scheuen sich die Parteien, die Herkunft ihrer Mittel offenzulegen. Offiziell werden sie angeblich zu 80 bis 90 Prozent vom Staat finanziert. Vergeblich hatte denn auch die Tageszeitung „Politika“ im September die 15 größten Unternehmen des Landes befragt, ob sie in den vergangenen drei Jahren eine Partei gefördert hätten. Fehlanzeige.

Dabei sollen einige der heimischen Tycoons, wie Miroslav Miskovic, der zweitreichste Mann des Landes, zeitweise gleich mehreren Parteien kräftig unter die Arme gegriffen haben: Der Chef der Delta-Holding soll auch beim Zustandekommen der neuen Regierung der Demokraten mit den Sozialisten des verstorbenen Autokraten Slobodan Milosevic die Rolle des wohlwollenden Geburtshelfers gespielt haben.

Als Mäzen geschätzt, als Konkurrent nicht

Und die Politiker wissen, was sie ihren Wohltätern schuldig sind. Mehrheitlich lehnte das Parlament 2007 einen Antrag der linksliberalen LDP auf eine Debatte über die Monopole des Delta-Konzerns ab. Als der Delta-Konzern in der montenegrinischen Hauptstadt Podgorica zu Monatsbeginn eine neue Shoppingmall eröffnete, machte hingegen Premier Mirko Cvetkovic mit fast kompletter Ministerriege dem Parteiwohltäter selbst im Nachbarland die Aufwartung.

Die meisten Parteiförderer ziehen lieber aus dem Hintergrund die Fäden: Denn als Mäzene sind sie gefragt, als Konkurrenten lästig. Einst einer der reichsten Männer Serbiens, hat Bogoljub Karic teuer dafür bezahlt, dass er à la Berlusconi in die Politik einstieg. Flugs wurden mehrere Korruptionsverfahren gegen ihn eingeleitet – es geht also doch! –, und der Geschäftsmann musste sich nach Russland absetzen: Sein Vermögen soll von einst 850 auf 100 Millionen Euro geschrumpft sein.

Politiker können sich großzügiger Förderung, ihre Sponsoren vorteilhafter Gesetze und Aufträge gewiss sein. Für die Wähler birgt die enge Symbiose freilich Nachteile. Auch wegen der starken Kartelle haben die Serben mit die höchsten Lebensmittelpreise in Mittel- und Südeuropa zu bezahlen. Und auf dem Korruptionsindex von „Transparency International“ ist Serbien vom 79. auf den 85.Rang abgerutscht, den es mit Staaten wie Madagaskar oder dem Senegal teilt.

„Es fehlt an politischem Willen“

Größere Transparenz bei der Parteienfinanzierung und eine Stärkung unabhängiger Kontrollorgane fordern einheimische Korruptionsexperten seit Langem: Gesetze genügten nicht, die Institutionen müssten zu deren Umsetzung auch mit wirksamen Vollmachten ausgestattet sein, mahnt etwa Verica Barac, die kämpferische Chefin des Antikorruptionsrates: „Doch dazu fehlt es hier an politischem Willen.“

HINTERGRUND

Politik und zweifelhafte Geschäftsleute arbeiteten schon in der Zeit des Autokraten Slobodan Milosevic gut zusammen. Während die Bevölkerung unter den Sanktionen litt, konnten Günstlinge des Regimes Reichtümer anhäufen. Manchen gelang es, auch nach der Wende im Jahr 2000 unbehelligt zu bleiben.Neue Quelle für Unregelmäßigkeiten waren die Privatisierungswellen.

Ist von Filz zwischen Wirtschaft und Politik die Rede, fällt oft der Name Miroslav Miskovic. Seine Delta-Holding wird wegen ihrer marktbeherrschenden Stellung für hohe Lebensmittelpreise mitverantwortlich gemacht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2008)

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