Südostasien: Kriegsgefahr wegen Tempelanlage

(c) AP (Heng Sinith)
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Thailand und Kambodscha streiten um fünf Quadratkilometer Dschungel.

BANGKOK/PHNOM PENH. Kambodschas Premier Hun Sen, bekannt für markige Worte, sprach bereits von einer „Schlachtzone auf Leben und Tod“. Im Klartext: Kambodscha werde Thailand den Krieg erklären, falls das Nachbarland nicht bis Dienstagmittag Ortszeit seine Truppen aus der umstrittenen Grenzregion abziehe. Etwa 80 thailändische Soldaten seien auf kambodschanisches Gebiet vorgedrungen, um die Region nahe der Tempelanlage „Preah Vihear“ zu besetzen.

Doch das Ultimatum verstrich, ohne dass die Lage eskalierte. Kambodschas Armeechef Yim Pin hatte kurz zuvor erklärt, die Thais hätten sich zurückgezogen. Die Retourkutsche aus Bangkok kam prompt: Von Rückzug könne keine Rede sein. Thailand werde seine Armee anweisen, weiter im Gebiet zu bleiben, hieß es aus Militärkreisen. „Wir werden zwar weder mit dem Kampf beginnen noch in Kambodscha einmarschieren“, so die Stellungnahme. „Aber wir werden uns verteidigen, falls Kambodscha in unser Territorium eindringt.“

Thailand zeigte sich zudem „überrascht“ von den martialischen Aussagen Hun Sens, zumal Außenminister Sompong Amornwiwat sich erst am Montag wegen des Grenzkonflikts mit seinem kambodschanischen Amtskollegen Hor Namhong getroffen hatte.

Ein Rückzug kommt für keine der beiden Seiten in Frage, zu groß wäre der Gesichtsverlust; zumal der Zank um die Kultstätte aus dem elften Jahrhundert schon Tradition hat: Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hatte den Tempel 1962 eindeutig Kambodscha zugesprochen. Unklar blieb jedoch, wem der Boden rund um die Anlage gehört – knapp fünf Quadratkilometer Dschungel. Dieses Stückchen Land war immer wieder Anlass für Grenzstreitigkeiten.

Opposition gießt Öl ins Feuer

Während einer Unesco-Konferenz 2007 hatte Kambodscha erklärt, es wolle „Preah Vihear“ als Weltkulturerbe listen lassen. Das rief Thailand auf den Plan. Der Nachbar beharrte darauf, zuerst müssten die Besitzverhältnisse des umstrittenen Territoriums geklärt werden. Im Mai schließlich vereinbarten thailändische und kambodschanische Abgesandte im Unesco-Hauptquartier in Paris, die Karte des Gebiets um den Tempel neu zu erstellen. Daraufhin erklärte Thailands damaliger Außenministers Noppadon Pattama, man sei mit der Bewerbung Kambodschas einverstanden.

Dieses Einverständnis aber schürte in Thailand nationalistische Gefühle. Die sogenannte „Volksallianz für Demokratie“, kurz PAD, die seit Monaten Straßenproteste gegen die Regierung initiiert, schlachtete das Ganze für die eigene Propaganda aus. Gegenüber ihren Anhängern behauptete die außerparlamentarische Opposition, die Regierung betreibe den Ausverkauf thailändischen Bodens.

Als „völlig lächerlich“ bezeichnet dies der thailändische Politikwissenschaftler Giles Ungpakorn gegenüber der „Presse“: „Der Tempel wurde ganz klar von den Khmer erbaut, und er gilt offiziell seit 46 Jahren als kambodschanisches Territorium.“

Als die Unesco die historische Kultstätte im Juli tatsächlich zum Weltkulturerbe ernannte, drohte der Konflikt zu eskalieren. Drei Thais überschritten aus Protest die Grenze und wurden in Kambodscha festgenommen. Kurz darauf begannen Thailand und Kambodscha, in dem umstrittenen Gebiet jeweils mehrere Hundert Soldaten zusammenzuziehen.

Widersprüchliche Meldungen kursierten. An einem Tag war von einem „drohenden Kriegszustand“ die Rede, am nächsten sah man Bilder von thailändischen und kambodschanischen Soldaten, die friedlich rauchend zusammen saßen. Bei einer Schießerei am 3.Oktober wurden zwei thailändische und ein kambodschanischer Soldat verletzt. Beide Seiten beschuldigten einander, für den blutigen Zwischenfall verantwortlich zu sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2008)

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