Kroatien: „Zagreb darf nicht Beirut werden“

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Kroatiens Regierung fürchtet nach dem Mord an Verleger Pukanicum das Image des Landes.

SARAJEWO/ZAGREB. In Kroatien herrscht nach dem neuen Anschlag in Zagreb Bestürzung. Politiker und Kollegen verurteilten am Freitag den Mord am Verleger und Investigativjournalisten Ivo Pukanic. Präsident Stipe Mesic sprach von „einem Akt des Terrorismus“. Und Premier Ivo Sanader erklärte: „Wir werden nicht zulassen, dass Zagreb zu einem neuen Beirut wird.“ EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn mahnte Kroatiens Regierung zu größeren Anstrengungen im Kampf gegen die organisierte Kriminalität.

Erst im vergangenen Monat wurde Ivana Hodak, Tochter eines prominenten Anwaltes, erschossen. Danach hatte Sanader zwei Minister und den Polizeichef des Landes entlassen.

Pukanic, Besitzer und Chefredakteur der Wochenzeitung „Nacional“, war Donnerstagabend zusammen mit Marketingchef Niko Franjic auf dem Parkplatz vor dem Bürohaus der Zeitung mit einer Autobombe getötet worden. Die beiden Opfer wollten gerade in ein neu gekauftes, kugelsicheres Auto einsteigen. „Noch drei Stunden vorher hat er mir stolz den Wagen gezeigt“, berichtet der Philosophieprofessor Zarko Puhovski der „Presse“. Er ist Vortragender an dem von Pukanic gegründeten Institut für Journalistenausbildung.

Schon vor sechs Monaten hatte man versucht, den 47-jährigen Pukanic zu töteten. Danach erhielt er Polizeischutz, der aber auf Pukanics eigenen Wunsch im August eingestellt wurde.

Verbindungen zu Mafiaboss

Pukanic hatte als Aufdecker vieler Skandale und Verstrickungen von Politik und organisiertem Verbrechen großes Ansehen erworben. Trotz dieser Verdienste wurde er erst kürzlich aus der Journalistenunion ausgeschlossen. Er hatte Dokumente über den Krankheitszustand seiner von ihm in Scheidung befindlichen Frau veröffentlicht.

Und doch galt Pukanic als einer der bestinformierten Journalisten Kroatiens. In den vergangenen Jahren seien die Grenzen von Journalismus und persönlicher Nähe zu „bestimmten und gefährlichen Kreisen“ bei ihm verschwommen, „er war selbst verstrickt“, vermuten einige anonym bleiben wollende Kollegen auf Anfrage der „Presse“. Sicher ist, und das wird auch von Puhovski bestätigt, dass Pukanic Verbindungen zu dem in Haft befindlichen Hrvoje Petrac besaß, der als einer der mächtigsten Mafiabosse des Landes gilt.

Petrac ist wiederum einer der wichtigsten Zeugen im Prozess gegen Exgeneral Vladimir Zagorec, der beschuldigt wird, während des Krieges Gelder für den Waffenkauf in die eigene Tasche gewirtschaftet zu haben. Der kürzlich aus Österreich nach Kroatien überführte Zagorec ist bereit, über die Verwicklung von Politik und Mafia auszusagen. Der Vater der ermordeten Ivana Hodak wiederum ist der Anwalt des Exgenerals. Der Krimi in Zagreb ist mit diesem Mord wahrscheinlich noch nicht beendet. Kommentar Seite 43

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2008)

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