Das mächtige Russland und der böse Westen

Putin
Putin(c) REUTERS (ALEXANDER NATRUSKIN)
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Es war Wladimir Putin, der nach seinem Machtantritt die verschiedenen antiwestlichen Stereotype aufgriff. Das Feindbild Westen hat in der Politik Moskaus eine lange Tradition.

Wien. Der Westen ist böse, vor allem aber die Amerikaner. Tief sitzt dieses (Vor-)Urteil in den russischen Köpfen, wie jüngste Umfrageergebnisse der „Stiftung öffentliche Meinung“ zeigen. Die Hälfte der Befragten bezeichnete den Westen da „als Feind Russlands, der seine Probleme auf Kosten Russlands lösen und den russischen Interessen schaden wolle“. Fast 80 Prozent werteten Russlands Verhältnis zu den USA als negativ (feindselig, angespannt, kühl), fast 40 Prozent stufen die Beziehungen zur EU als schlecht ein.

Klar, dass sich in solchen Umfragen die russische Enttäuschung über die westliche Reaktion auf den Fünftagekrieg in Georgien widerspiegelt: Die Russen sehen sich in diesem Konflikt vom Westen missverstanden und völlig zu Unrecht verurteilt.

Aber warum dieses Misstrauen, diese Abneigung gegen den Westen? Woher kommt die weit verbreitete und offenkundig tief verwurzelte antiwestliche Stimmung in Russland? In einer brandaktuellen Studie für die Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin versucht Susan Stewart, Antworten auf diese Fragen zu geben.

Stewart stellt klar: Das neue antiwestliche Feindbild ist in vielen Punkten ein altes, noch aus der Sowjetherrschaft stammendes. Denn die Verknüpfung zwischen internen und externen Feinden, das Schüren der Angst vor feindlichen Mächten, die das Land einkreisen wollten, und das im heutigen Russland wieder so stark ausgeprägte globale Konkurrenzkampfdenken – das alles hat es schon bald nach der Oktoberrevolution 1917 gegeben.

Putins vier Botschaften

Es war Wladimir Putin, der nach seinem Machtantritt die verschiedenen antiwestlichen Stereotype aufgriff, aktualisierte und zu einem neuen Feindbild formte – überaus erfolgreich. Stewart: „Die Bedeutung des Feindbildes im Putin-Diskurs nimmt im Zuge seiner Amtszeit kontinuierlich zu. Das Bild wird innenpolitisch gezielt eingesetzt, um sowohl die russische Elite wie auch die Bevölkerung von der Richtigkeit der politischen Linie zu überzeugen.“

Stewart hat vier Botschaften entdeckt, mit denen die russische Führung das Feindbild Westen in der Bevölkerung verbreitet wird:

Westlicher Neid auf die russischen Ressourcen: Dazu dient ein angebliches Zitat der früheren US- Außenministerin Madeleine Albright („Es ist ungerecht, dass Russland die alleinige Kontrolle über die enormen Naturschätze Sibiriens besitzt“). Obwohl Albright wiederholt heftig dementiert hat, jemals eine solche Aussage gemacht zu haben, schwirrt das Zitat durch alle möglichen russischen Diskussionen – immer mit der Unterstellung: Der Westen wünscht ein schwaches Russland, um billig an dessen Ressourcen zu kommen.

Eine „farbige Revolution“ droht: Der Westen versucht, so lautet diese Botschaft, in Russland wie in Georgien 2003 und in der Ukraine 2004 mithilfe von Nichtregierungsorganisationen einen Umsturz zu fördern und eine prowestliche Regierung zu installieren. Moskau kann dem nur mit repressiven Maßnahmen begegnen.

Russland kann wieder stolz sein: Stewart: „Das positive Selbstbild stützt die Entwicklung einer staatlichen Ideologie, die nicht nur Bedrohungen konstruiert, um bestimmte innen- und außenpolitische Maßnahmen nahezulegen. Es vertieft auch den Graben gegenüber den Feinden dadurch, dass diesen das eigene gesellschaftliche und politische Modell entgegensetzt wird.“

Der Feind ist unter uns: Diese Botschaft richtet sich gezielt gegen interne Widersacher wie Nichtregierungsorganisationen und Oppositionsparteien. Denn: Solche Kräfte im Innern und Akteure von außen würden sich verbünden, um Ziele zu erreichen, die gegen die Interessen Russlands gerichtet sind.

Stewart hat dabei keine Zweifel: „Das Feindbild Westen stößt in der Bevölkerung auf eine gewisse Sympathie.“ Sie rechnet jedenfalls nicht damit, dass sich unter dem jetzigen Präsidenten Dmitrij Medwedjew dieses Stereotyp, das ein tragendes Element einer noch im Entstehen begriffenen Ideologie sei, entschärft werden könnte.

AUF EINEN BLICK

Neue Umfragen zeigen, wie feindselig Russlands Bevölkerung dem Westen im Allgemeinen, den USA im Besonderen gegenübersteht. Ein neue Studie der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik untersucht das Phänomen. Titel: „Die Konstruktion des Feindbilds Westen im heutigen Russland.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2008)

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