Eine Woche nach den ukrainischen Parlamentswahlen werden in Donezk und Luhansk eigene Vertreter gewählt, was Russland freut und die Ukraine verstimmt.
Unmittelbar nach der Parlamentswahl in der Ukraine, bei deren Auszählung die Partei von Regierungschef Arseni Jazenjuk weiter knapp vorne lag, streiten Kiew und Moskau über die für Sonntag geplanten Wahlen in den von prorussischen Separatisten kontrollierten östlichen Regionen des Landes. Russland will die Abstimmungen anerkennen, was die Ukraine als Angriff auf die Friedensbemühungen wertete.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow kündigte an, Moskau werde die umstrittenen Wahlen in den selbstproklamierten sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine anerkennen. "Wir hoffen, dass die Wahlen wie vorgesehen stattfinden werden, und wir werden die Ergebnisse selbstverständlich anerkennen", sagte er der russischen Tageszeitung "Iswestija". Er hoffe, "dass die Willensäußerung des Volkes frei verläuft und niemand versuchen wird, sie von außen zu stören".
Seperatisten erkennen Wahlen nicht an
In der Ukraine hatten am Sonntag Parlamentswahlen stattgefunden, die von den Separatisten aber nicht anerkannt werden. Auch die Präsidentschaftswahl vom Mai, aus der Staatschef Petro Poroschenko als Sieger hervorging, erkennen sie nicht an. Stattdessen sollen nun in den östlichen Regionen Donezk und Luhansk, wo es trotz eines Waffenstillstands weiterhin Kämpfe gibt, am Sonntag separate Präsidentschafts- und Parlamentswahlen stattfinden.
Lawrow sagte, die Abstimmungen seien "sehr wichtig, um die Führungen zu legitimieren". Sie vollzögen "einen der wichtigsten Punkte" der im September in Minsk getroffenen Waffenstillstandsvereinbarung mit der Regierung in Kiew. Die ukrainische Regierung und die Separatisten hatten in der weißrussischen Hauptstadt einen Waffenstillstand vereinbart, um die monatelangen Kampfhandlungen zu beenden. Hauptbestandteil des Abkommens ist die Schaffung einer Pufferzone.
Ukraine: "Wahlen widersprechen Abkommen"
Die ukrainische Regierung kritisierte die Äußerungen Lawrows. Die geplante russische Anerkennung der Abstimmungen in Donezk und Luhansk widerspreche den Vereinbarungen von Minsk, sagte ein ranghoher Vertreter des Außenministeriums in Kiew. "Der Prozess zur Deeskalation und zur friedlichen Lösung" des Konflikts werde untergraben. Die Äußerungen Lawrows trügen dazu bei, "das Vertrauen in Russland als verlässlichen internationalen Partner weiter zu schwächen", hieß es.
In der Ukraine waren nach der Parlamentswahl vom Sonntag etwa 85 Prozent der Stimmen ausgezählt. Jazenjuks Partei Volksfront lag jüngsten Ergebnissen zufolge knapp vor der Präsidentenpartei Block Poroschenko. Beide erreichten rund 22 Prozent und verhandeln bereits über eine Koalition. Die Hälfte der 423 Mandate in der Obersten Rada wird per Listenwahl vergeben. Die übrigen Sitze werden per Direktmandat ermittelt. Dadurch wird insgesamt eine Mehrheit für den Poroschenko-Block erwartet.
Auf dem dritten Platz folgte die ebenfalls proeuropäische Bewegung Samopomoschtsch (Selbsthilfe) des populären Bürgermeisters der westukrainischen Stadt Lwiw (Lemberg), Andrej Sadowy. Samopomoschtsch wird nach den Teilergebnissen dritte Kraft mit fast elf Prozent der Stimmen und könnte auch in die Koalition eintreten.
Timoschenko auf Rada-Kurs
Sadowy, der selbst nicht in die Oberste Rada gehen will, hatte sich am Montag bereits mit Jazenjuk und Poroschenko getroffen. Seine Partei nehme aber bisher nicht an den Koalitionsverhandlungen teil, sagte er. Die prowestliche Vaterlandspartei von Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko kommt nach Angaben der Wahlleitung bei der Stimmenauszählung auf 5,7 Prozent.
Der Oppositionsblock erreichte bei der Wahl demnach rund 9,5 Prozent der Stimmen. Die Radikale Partei des Rechtspopulisten Oleg Ljaschko kommt nach dem Teilergebnis auf etwa 7,5 Prozent.
Voraussichtlich nur über Direktmandate in der Rada vertreten ist die rechte Partei Swoboda, ebenso wie die extremistische Partei Rechter Sektor. Beide scheiterten wie auch die Kommunisten an der Fünf-Prozent-Hürde.
Keine Wahlen in den besetzten Gebieten
Bei der Wahl hatten etwa fünf Millionen von 36 Millionen ukrainischen Wahlberechtigten nicht abstimmen können, weil sie auf der Halbinsel Krim oder in den Regionen Donezk und Luhansk leben. Im übrigen Land erreichte die Beteiligung mit rund 70 Prozent einen Rekord seit der Unabhängigkeit im Jahr 1991. Die Krim war im März von Russland annektiert worden, im Osten der Ukraine wurde auch am Dienstag weiter gekämpft. In dem Konflikt wurden seit April etwa 3700 Menschen getötet.
In Brüssel wollten am Dienstag Vertreter der EU-Staaten turnusmäßig über die im Ukraine-Konflikt verhängten Sanktionen gegen Russland beraten. Es wurde aber nicht mit Entscheidungen gerechnet. Die Strafmaßnahmen der EU, der USA und weiterer Staaten setzten der russischen Wirtschaft in den vergangenen Monaten bereits stark zu. Der russische Rubel fiel am Dienstag auf ein neues Rekordtief. Der Euro stand am Vormittag bei rund 54 Rubel, der Dollar bei mehr als 42 Rubel.
(APA/AFP/dpa)