Russland: „Zar“ Putin als Krisenmanager

(c) Reuters (Mikhail Mordasov)
  • Drucken

Jetzt, da manches im Zuge der Finanzkrise aus dem Ruder zu laufen droht, ist Putins Typ wieder gefragt. Putin verspricht, weiter Premier zu bleiben und zerstreut Ängste zur Wirtschaftslage.

MOSKAU. Gewohnt ist er die Rolle offensichtlich nicht. Der kraftstrotzende Wladimir Putin wirkt nachdenklicher, überlegter, auch vorsichtiger. Nur kein falsches Wort, um keine Panik zu verströmen. Stattdessen allen die Angst nehmen, Hoffnung geben. Lieber eine Zusage zu viel als eine zu wenig. Acht Jahre lang hatte Putin als Präsident Russlands den rasanten Wirtschaftsaufschwung als Verbündeten, wenn er stundenlang Bürgeranfragen live im Fernsehen beantwortete. Ein halbes Jahr, nachdem er auf den Premiersposten gewechselt hat, steht die Stabilität, die das Volk mit ihm verbunden hat, auf dem Spiel.

Höchste Zeit offenbar, dass er auch als Premier die Tradition der Fragestunde fortsetzt. Das Volk hat sich schon in den fetten Jahren kein Leben ohne Putin ausmalen können. Jetzt, da manches im Zuge der Finanzkrise aus dem Ruder zu laufen droht, ist jene souveräne Vielgesichtigkeit gefragt, die Putins politischem Ziehsohn im Kreml, Dmitrij Medwedjew, zum Zaren fehlt.

Keine Rückkehr in den Kreml

Nein, er plane nicht, in das Präsidentenamt zurückzukehren, erteilte Putin gleich zu Beginn seines TV-Auftrittes am Donnerstag jüngsten Spekulationen eine Absage. Er sei mit seinem jetzigen Posten zufrieden. „Wichtig ist nicht der Sessel, auf dem ich sitze, sondern die Verantwortung, die ich habe.“ Die Eile freilich, mit der die Verfassung zur Verlängerung der Amtszeit des Staatsoberhauptes auf sechs Jahre geändert wird, hält die Vermutungen aufrecht, dass die für 2012 vorgesehenen Präsidentenwahlen doch schon nächstes Jahr abgehalten werden, um Putin auf den höchsten Posten im Staat zurückzuhieven.

Der dreistündige Fernsehauftritt, bei dem über 70 Fragen beantwortet wurden, geriet zum Antikrisenkolloquium. War das Wort „Krise“ über Wochen tabuisiert, so hat Putin nun unverkrampft davon Gebrauch gemacht. Russland habe „gute Chancen, mit minimalen Verlusten für die Wirtschaft und die einfachen Leute durch diese schwierige Phase zu kommen“, sagte er und versicherte, dass die Wirtschaft heuer 6,8 oder gar 6,9 Prozent wachsen werde. „Was wir für den Sozialsektor geplant haben, wird erfüllt.“

Nachdem die globale Finanzkrise vor zweieinhalb Monaten auch auf Russland durchgeschlagen hat und der für das Land wichtige Ölpreis gefallen ist, haben bereits zahlreiche Betriebe Personal und Löhne gekürzt. In Russland herrscht Angst, dass etwas Ähnliches wie der Rubel-Crash 1998 wieder eintreten könnte. Dementsprechend besorgt waren die Anfragen an Putin. Dieser verwies auf den Polster der weltweit drittgrößten Währungsreserven, die bereits reichlich als Stützungsgelder vorwiegend in den Bankensektor flossen, schloss eine sprunghafte Rubelabwertung aus und glänzte mit der Zusage höherer Pensionen und Arbeitslosengelder für 2009.

„Warum an nur einer Stelle?“

Tatsächlich wurden die Budgetausgaben für nächstes Jahr um ein Drittel erhöht. Zuletzt allerdings mehrten sich Stimmen, dass das Budget korrigiert werden müsse. Die Wachstumsprognosen für 2009 nämlich bewegen sich im Bereich von zwei bis drei Prozent.

Obwohl die Außenpolitik in die Kompetenz des Präsidenten fällt, gab Putin auch dazu bereitwillig Auskunft, ersparte sich abschätzige Bemerkungen über die „ukrainischen Partner“, die ihre Gasschulden noch nicht beglichen hätten und machte seine Reverenz Richtung USA. Nach dem Machtwechsel in den USA seien positive Signale wahrzunehmen – etwa was die Stationierung des US-Raketenabwehrschildes in Osteuropa betreffe. „Wenn dies nicht nur Worte sind, wird unsere Reaktion angemessen ausfallen.“

Schlagfertig fiel die Antwort auf die Frage aus, ob er tatsächlich gemeint habe, er wolle Georgiens Präsidenten Saakaschwili „an einer Stelle (Putin sagte angeblich „an den Eiern“) aufhängen“: „Warum an einer?“, antwortete Putin.

AUF EINEN BLICK

Die TV-Fragestunden hatte Wladimir Putin in seiner Zeit als Staatspräsident eingeführt und dabei live mit den Bürgern über ihre Sorgen gesprochen.

Als Premier setzt Putin diese Tradition nun fort. Er versicherte den Russen, sie müssten keine Angst vor der Wirtschaftskrise haben. Er selbst werde weiter Premier bleiben und nicht in den Kreml zurückwechseln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.