Ungarn: Gericht verbietet rechtsradikale Bewegung

Ungarische Garde in Sziksz
Ungarische Garde in Sziksz(c) Die Presse (Peter Bognar)
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Seit ihrer Gründung im August 2007 hat die schwarz uniformierte „Ungarische Garde“ wiederholt Aufmärsche vor allem in Gemeinden organisiert, die einen hohen Anteil an Roma haben.

BUDAPEST. Ungarns Rechtsextremisten haben einen herben Rückschlag erlitten: Ein Budapester Gericht hat den uniformierten Arm der rechtsradikalen Partei „Jobbik“, die „Ungarische Garde“ (Magyar Gárda), in erster Instanz verboten.

Seit ihrer Gründung im August 2007 hat die schwarz uniformierte „Ungarische Garde“ wiederholt Aufmärsche vor allem in Gemeinden organisiert, die einen hohen Anteil an Roma haben. Ziel der Aufmärsche war es, die öffentliche Aufmerksamkeit auf die „Zigeunerkriminalität“ zu lenken und die Roma einzuschüchtern.

Garde will weitermachen

In Ungarn leben laut Schätzungen zwischen 600.000 und 800.000 Roma. Das Gros der Roma-Minderheit lebt arbeitslos und ausgegrenzt in bitterer Armut.

Der Prozess gegen die Garde war von der ungarischen Staatsanwaltschaft angestrengt worden. Als Begründung hatte sie auf die rassistische und Roma-feindliche Rhetorik von Rednern der Garde bei einem Aufmarsch in der Gemeinde Tatárszentgyörgy im Dezember 2007 verwiesen.

Auf das Verbot des Budapester Gerichts reagierte die Ungarische Garde mit „Entsetzen und Verständnislosigkeit“. In einer Presseaussendung heißt es, das Urteil sei auf „politischen Druck“ der sozialistischen Regierung von Ferenc Gyurcsány erfolgt. Trotzig kündigte die Organisation an, ihre Tätigkeit fortsetzen zu wollen.

Schon seit Monaten hatte es den Anschein, dass der Rechtsradikalismus in Ungarn schwächelt. Dies ist einerseits darauf zurückzuführen, dass die diversen rechtsradikalen Gruppen unterschiedliche Ziele verfolgen und untereinander zerstritten sind. Zum anderen scheint der militante Rechtsextremismus, der sich in den vergangenen zwei Jahren vor allem in Straßenkrawallen entladen hat, die Gefolgschaft zu verlieren. In rechtsextremen Internetforen sind zuletzt Stimmen laut geworden, die den gewalttätigen Randalen eine Absage erteilen.

Hinzu kommt, dass sich auch in der ungarischen Zivilgesellschaft immer mehr Initiativen bilden, die sich gegen den Rechtsradikalismus richten. Das größte Medienecho rief die Gründung der „Ungarischen Demokratischen Charta“ hervor, die sich den „Kampf gegen Radikalismen und Ausgrenzung“ auf ihre Fahnen geschrieben hat.

Dem scheinbaren Schwächerwerden des Rechtsradikalismus widerspricht jedoch, dass sich in den vergangenen Monaten die Anschläge gegen Mitglieder der Roma dramatisch vermehrt haben. In der nordostungarischen Gemeinde Nagycsécs etwa kamen zwei Roma ums Leben, nachdem unbekannte Täter ihr Haus mit Molotowcocktails beworfen hatten. In der südungarischen Stadt Pécs wiederum wurde von Unbekannten das Haus einer sechsköpfigen Roma-Familie mit Handgranaten beworfen. Beide Elternteile starben bei dem Anschlag.

Armut speist Extremismus

Auch der namhafte Soziologe Iván Szelényi warnt davor, den Rechtsradikalismus in Ungarn bereits abzuschreiben. Szelényi weist darauf hin, dass dieser nicht zuletzt in der „entsetzlichen Verarmung“ in Ungarn seit der Wende 1989/90 seine Wurzeln habe. Lebten vor 20 Jahren ein bis zwei Prozent der ungarischen Bevölkerung unter der Armutsgrenze, sind es heute sieben bis zehn Prozent.

AUF EINEN BLICK

Die „Ungarische Garde“ ist von einem Budapester Stadtgericht verboten worden. Im Urteil, das nach einem einjährigen Prozess zustande kam, heißt es, dass die rechtsextremistische Garde der ungarischen Roma-Bevölkerung und anderen Minderheiten Angst einjage und mit ihren Aktivitäten gegen das Vereinsrecht verstoße.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2008)

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