Kunst-Bluff blamiert tschechischen EU-Vorsitz

(c) EPA (OLIVIER HOSLET)
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Ein Kunstwerk des Bildhauer David Cerny anlässlich der tschechischen EU-Präsidentschaft sorgt für Empörung: Mitwirkende Künstler wurden erfunden, die Länder als Klischees dargestellt.

Ein Kunstwerk über die Vorurteile in Europa ist zu einer Blamage für den tschechischen EU-Vorsitz geworden. Kurz vor der geplanten Einweihung der Installation am Donnerstag ließ der tschechische Künstler David Cerny den Bluff auffliegen: Das von der Prager Regierung in Auftrag gegebene Werk sei allein von ihm entworfen und nicht von 27 Künstlern aus ganz Europa, wie ursprünglich angegeben.

Das rund zehn mal zehn Meter große Werk namens "Entropa" hängt seit Montag im Eingangssaal des Brüsseler EU-Ratsgebäudes und nimmt Vorurteile über die 27 Mitgliedstaaten aufs Korn. Der angebliche deutsche Beitrag ist eine Deutschland-Karte, durchzogen von Autobahnen, die einem Hakenkreuz ähneln. Laut Katalog stammte das Werk von dem Künstler Helmut Bauer. Dieser ist aber nach Cernys Angaben genauso fiktiv wie die 25 anderen Schöpfer.

Österreich: Wiese mit Kühltürmen

Die Darstellung Österreichs als grüne Wiese mit vier Kühltürmen lieferte angeblich die Künstlerin Sabrina Unterberger. Auch sie konnte bisher nicht ausfindig gemacht werden. Im offiziellen Katalog wird Sabrina Unterberger angeführt als Mitwirkende der Ausstellung "Gegengewalt" im Jahr 2002 in der Galerie Grita Insam in Wien. "Die Ausstellung gab es. Aber wir haben diese Künstlerin nicht gehabt", sagte Melanie Harl von der Galerie Grita Insam am Mittwoch.

Bulgarien hatte am Dienstag bereits offiziell Protest gegen die Darstellung des Landes als Steh-Toilette eingelegt. Auch andere Länder kommen wenig schmeichelhaft weg: Über dem Umriss Frankreichs hängt ein Banner mit der Aufschrift "Streik", Schweden ist in einen IKEA-Karton verpackt. Spanien ist komplett zubetoniert, eine Anspielung auf die Bauwut des Landes.

Die tschechische Ratspräsidentschaft hatte das Werk am Montag als "Projekt von Künstlern aus allen 27 EU-Staaten" angekündigt und einen Katalog mit deren Biographien verbreitet. Europaminister Alexandr Vondra äußerte sich nun "schockiert" über den Schwindel des tschechischen Urhebers.

Topolanke: "Habe es noch nicht gesehen"

Der tschechische Ministerpräsident Mirek Topolanek will sich selbst ein Bild über die umstrittene Installation "Entropa" machen. "Was Kunst angeht, bin ich nicht so gut. Ich weiß nicht, ob das ein Kunstwerk ist. Ich habe es noch nicht gesehen. Ich werde es mir dann anschauen, worüber alle lächeln und entrüstet sind", sagte er am Mittwoch im EU-Parlament in Straßburg.

Cerny nimmt die Aufregung gelassen: "Uns interessierte, ob Europa über sich selbst lachen kann", sagte er in Prag. Er gilt in der Kunst-Szene als Provokateur. Seine "Entropa"-Installation zeigt etwa Dänemark zusammengesetzt aus Lego-Steinen, bei näherer Betrachtung erweisen sich die Bausteine als Bildnis der umstrittenen Mohammed-Karikatur, die 2006 zu weltweiten Protesten in der muslimischen Welt geführt haben.

Offiziell angeführt als Mit-Urheberin des dänischen Beitrages wird die Künstlerin Susan Malberg Albertsen, die auch von der dänischen Nachrichtenagentur Ritzau ausfindig gemacht wurde, aber nach eigenen Angaben nie etwas von Cerny oder dem "Entropa"-Projekt gehört hat. "Das ist sehr unangenehm und rotzfrech", sagte sie der Agentur.

(Ag.)

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