George W. Bush: Abgang des Missunterschätzten

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Der 43. Präsident der USA hinterlässt ein Land in der Krise. Vielleicht ist er aber nur, wie er selbst sagte, „mis-underestimated“.

Am Ende war auch George Bush nur ein Mensch. „Manchmal war ich wirklich enttäuscht von den Beschimpfungen“, erklärte der 43.Präsident der USA vor wenigen Tagen offenherzig in einem Interview mit CNN. „Das war nicht notwendig.“ Es traf ihn also doch, wenn man ihn als „dumm“ bezeichnete, „lächerlich“ und „gefährlich“. Den Mann, der behauptete, keine Zeitungskommentare zu lesen, keine Meinungsumfragen und sich nicht irritieren zu lassen von Angriffen und Attacken.

Man hat ihn viel geheißen in den vergangenen acht Jahren. Zum „meistgehassten Politiker der Welt“ kürte ihn das Magazin „Rolling Stone“ in einer Titelgeschichte, die der Frage nachging, ob Bush „der schlechteste Präsident in der Geschichte“ war. Die Deutschen sahen in einer Umfrage die USA unter Bush als eine größere Gefahr für den Weltfrieden als den Iran. Und draußen vor dem Weißen Haus, auf der Pennsylvania Avenue, stand wochenlang stumm der Vater eines im Irak getöteten Soldaten mit einem Plakat „Bush ist ein Mörder“.

Der scheidende Präsident ist das beste Beispiel dafür, dass gut gemeint nicht immer gleichbedeutend ist mit gut. Absichtlich Böses tun wollte der 62-Jährige zweifellos nie. In einer Rede zu Weihnachten 2004 sprach er von dem „göttlichen Auftrag“, Freiheit in der Welt zu verbreiten. Der Irak sollte im Nahen Osten zum Leuchtfeuer der Demokratie werden und die Tyranneien wie Dominosteine zum Fallen bringen. Geworden ist daraus das größte Desaster der amerikanischen Außenpolitik seit dem Vietnamkrieg. Lange Zeit drohte die ganze Region ins Chaos zu schlittern. Bushs große politische Vorhaben, von der Reform der Pensionsversicherung bis zum neuen Steuerrecht, fielen dem alles bestimmenden Krieg zum Opfer.

Nein, eine erfolgreiche Präsidentschaft war die 43. in der Geschichte der USA nicht. Aber es war auch nicht die schlechteste. George W. Bush bleibt die Hoffnung, die er immer wieder äußert, mit dem Hinweis darauf, dass die Historiker noch heute über die Präsidentschaft von Nummer 16 diskutieren, jene von Abraham Lincoln. „Da mache ich mir keine Gedanken, was Zeitungen über meine sagen.“ Vielleicht wird in einigen Jahrzehnten das Bild über Bush ähnlich revidiert wie jenes über Richard Nixon, dessen Präsidentschaft unter dem Schatten des „Watergate“-Skandals stand. Erst Jahrzehnte später sah man auch die positiven Seiten: Die Öffnung zu China, die Abrüstung mit Russland, die Beendigung des Vietnamkrieges. Vielleicht wird irgendwann ein Historiker die positiven Seiten in der Bush-Präsidentschaft finden. Nur wo?

Die politische Bilanz der Zeit zwischen 20.Jänner 2001 und 19.Jänner 2009 fällt dünn aus. Die großen Würfe blieben aus, sogar die kleinen. Zu Beginn war Bush die Lachnummer der Welt. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ urteilte nach seiner Angelobung: „Der Clown kehrt zurück.“ Unter „Bushism“ sammelte man seine Wortstraucheleien: „Mis-underestimated“ („missunterschätzt“) etwa oder der Ort, „wo Flügel Träume bekommen“. Es gehöre zum guten Ton, befand damals ein Kommentator, den Präsidenten für dumm zu halten.

Gewachsen ist Bush erst mit den Anschlägen vom 11.September 2001. Plötzlich war ein Führer gefragt, der Vertrauen gibt und Sicherheit vermittelt. Und das tat er: Breitbeinig mit einem Megafon auf den Trümmern des World Trade Center. In Zeiten der Krise sammelte sich das Volk hinter ihm, seine Beliebtheitswerte kletterten auf 88 Prozent. Er verstand es, den Wunsch nach Rache zu verkörpern, als er etwa Osama bin Ladens Festnahme forderte – „tot oder lebendig“.

Bush hatte seine Berufung gefunden. Als Kriegspräsident, der, ausgestattet vom Kongress mit nie da gewesener Machtfülle, seinen Weg gehen konnte – ohne Kompromisse und ohne Rücksicht auf die Verfassung oder Menschenrechte (Stichwort: Guantánamo). Doch der Weg führte direkt auf ein Riff namens Irak. Der Krieg versenkte eine Präsidentschaft, die vor allem in der zweiten Amtszeit verheißungsvoll sein hätte können.

Die Jahre nach seiner Wiederwahl 2004 waren dominiert vom Irakkrieg, bei dem er erst am Ende die erfolgreiche Wende schaffte. Wie oft er wohl in der Abgeschiedenheit des goldenen Käfigs des Weißen Hauses still bereut hat, den Befehl zum Einmarsch gegeben zu haben? Offen gab er es nie zu. Als Fehler gestand er diese Woche bei seiner letzten Pressekonferenz nur das Schild „Mission accomplished“ ein, das auf dem Flugzeugträger USS Lincoln prangte, auf dem Bush am 1. Mai 2003 das Ende der großen Kampfhandlungen im Irak verkündete.

Immerhin. Als ihn im April 2004 ein Journalist nach seinem größten politischen Fehler gefragt hatte, stotterte er herum und konnte keinen nennen. Das sagte mehr über den Mann aus als alle Antworten auf kluge Fragen. Hier ist jemand, der nie zurückblickt, nie seine Entscheidungen hinterfragt und keine Selbstzweifel kennt. Bush stand zu seiner Überzeugung, er hielt seinen Kurs, egal, woher der Wind wehte. Viele sahen darin eine positive Eigenschaft. Das Problem ist nur: Man muss immer den richtigen Kurs fahren. Hält man den falschen, zerschellt das Boot auf den Felsen.

Möglicherweise war George Bush wirklich „missunterschätzt“. Ausgerechnet Oliver Stone zeichnet in seinem Film „W.“ ein Porträt von einem durchaus sympathischen Menschen. Und das ist er privat vermutlich auch. Der scheidende Präsident soll witzig sein und umgänglich. Ein netter Kerl, mit dem man gerne ein Bier trinkt– den man aber nicht unbedingt im Weißen Haus haben will.

Hilfe für Afrika verdreifacht

So sehr lehnen ihn die US-Bürger mittlerweile ab (Beliebtheitswerte von unter 20 Prozent), dass die wenigen Pluspunkte in seiner Präsidentschaft ignoriert werden. Die Entwicklungshilfe für Afrika hat Bush beispielsweise verdreifacht. Ausgerechnet der Tiefreligiöse, der zu Hause als Mittel gegen Aids Enthaltsamkeit predigte, erhöhte die Aidshilfe für Afrika massiv. Feiern ließ er sich dafür nie, gebrüstet hat er sich damit nicht, und die Linke ignorierte seine Verdienste.

Vielleicht ist Bush auch gar kein Fall für eine politische Analyse, sondern ein Fall für einen Psychoanalytiker. Sein ganzes Leben habe er gegen seinen übermächtigen Vater angekämpft im Streben um Liebe und Stolz, heißt es im Buch „Bush auf der Couch“. Vielleicht würde die Welt heute anders aussehen, hätte jemand mehr mit dem kleinen W. gekuschelt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2009)

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