Iran: Verlorene Kinder der Revolution

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Szene aus "Persepolis"(c) Polyfilm
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Drei in Österreich lebende Exil-Iraner erinnern sich an den Umsturz in ihrer Heimat vor 30 Jahren und erzählen, wie dieses Ereignis ihr Leben einschneidend veränderte.

Langsam rasselt der Panzer die Damavand-Avenue in Teheran hinunter. Hussam Taheri steht an einer Barrikade aus Eisenstangen, Holz – was eben zu finden war. Jemand hat die Idee, die Eisenteile unter Strom zu setzen. Es klappt. Der Panzer bleibt liegen. Hussam Taheri ist damals 18 und mitten drin in der Islamischen Revolution im Iran. Noch heute erinnert er sich genau daran, wie am 11. Februar 1979 um 14.00 Uhr die Radionachricht über den Äther kommt: „Der oberste Armeerat hat in der gegenwärtigen politischen Krise neutral zu bleiben.“ Damit hatte die Revolution gesiegt.

Wir treffen Taheri, einen der früheren Revolutionäre, spätabends im Café Eiles in Wien-Josefstadt. Er sitzt an einem der hinteren Tische, will sein Foto nicht in der „Presse“ sehen und heißt in Wirklichkeit auch nicht Taheri. Er beginnt zu erzählen, wie er Revolutionär wurde: Alles hat ganz harmlos mit einem Mensa-Streik an der Uni begonnen, doch er wurde mit 150 weiteren Aktivisten von der Hochschule verwiesen. Ab diesem Zeitpunkt gab es kaum mehr eine Demonstration, an der er nicht teilnahm. Die anschwellenden Proteste erzeugten bald eine Stimmung des Aufruhrs.

„Macht es besser!“

Doch wo lag der Ursprung dieser revolutionären Atmosphäre? „Die Gesellschaft war schon so weit entwickelt, dass man den Schah nicht mehr akzeptieren konnte. Dazu war die Mittelschicht zu sehr gewachsen, zu sehr entwickelt“, sagt Taheri. Der Schah musste weg. Pahlevi geriet immer stärker unter Druck, die USA wurden immer unsicherer und sahen, dass er nicht mehr zu halten war. „Die Amerikaner dachten, die Linken werden die Macht an sich reißen, und haben daher Khomeini stille Unterstützung gegeben.“

Bei der Revolution war er an vorderster Front dabei, danach ging er zurück auf die Uni – „natürlich mit dem Gefühl, ein Held zu sein“. Die islamischen Gruppen verloren rasch die Macht an den Bildungseinrichtungen, „doch außerhalb der Universität nahm ihr Einfluss stetig zu“. Nach den Parlamentswahlen im Jahr 1980 hat Taheri bemerkt, „dass wir nun verloren haben“. Den Amerikanern sei das nicht unrecht gewesen. Der Nationale Sicherheitsberater von Präsident Jimmy Carter, Zbigniew Brezinski, sprach von der Doktrin des „grünen Gürtels“. Islamische Regierungen in Afghanistan, Pakistan und Iran sollten einen Cordon Sanitaire um die Sowjetunion legen. Manche seiner jungen Verwandten fragen Taheri heute anklagend: „Was habt ihr euch damals eigentlich gedacht?“ Seine Antwort: „Macht es besser!“

Die Revolution ist ein Fehler gewesen, davon ist der Schauspieler und Regisseur Bahram Parsa überzeugt. Er sitzt in der Bibliothek der „Presse“-Redaktion, orientalischer Oberlippenbart, sein schulterlanges, bis auf ein paar graue Strähnen pechschwarzes Haar streng nach hinten gekämmt, und erzählt aus seinem Leben. Er war 1982 durch den Antikriegsfilm „Die Adler“ bekannt geworden und kam ins Gefängnis. Sein Bruder war einer der 20 Piloten, die in einen Putschversuch gegen Khomeini verwickelt waren, sagt Parsa. „Dadurch wurden sie auch auf mich aufmerksam. Neun Mal wurde ich aus unterschiedlichen Gründen inhaftiert.“ Parsa verließ das Land. In Wien hielt er Kontakt mit den Schah-treuen Monarchisten. Er ist der Meinung, „dass eine parlamentarische Monarchie die beste Lösung für den Iran wäre“ und hält große Stücke auf Reza Pahlevi, den Sohn des Schah.

Der Konter-Revolutionär

Dass der Schah weg muss, war für den Schriftsteller Hamid Sadr ausgemachte Sache. „Aber ich war skeptisch gegenüber Khomeini.“ Schon sein Großvater, ebenfalls ein Revolutionär, hat schon vor den Mullahs gewarnt: „Wir waren eine Familie in der Tradition der Säkularisten.“ Der 62-jährige Sadr war während der Revolution in Wien, organisierte Dichterlesungen. Er hatte auch gute Kontakte zum letzten Premier des Schah-Regimes, Shapour Bakhtiar. Aber Sadr war über Nacht von einem Revolutionär zu einem Konter-Revolutionär geworden. Anfangs gegen das Shah-Regime, später gegen das, was danach kam.

Heute gebe es im Iran eine modernere Gesellschaft, die mit der Revolution nicht viel anfängt. Dennoch: Nach Sadrs Meinung sind „langsame Reformen die einzige Lösung. Unsere Mittelschicht ist politikscheu und hat Angst vor schnellem Wandel. – Sehr österreichisch“, sagt er und lacht.

HINTERGRUND

11. Februar 1979: Als sich das iranische Militär am 11. Februar um 14.00 Uhr für neutral erklärte, war das Schicksal der noch vom Schah eingesetzten provisorischen Regierung von Shapour Bakhtiar besiegelt. Die Revolutionäre besetzten rasch Fernseh- und Radiostationen sowie die Paläste des Schah. Der Sieg der Revolution wurde ausgerufen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2009)

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