Die Schweiz und das Geld der Despoten

(c) AP (Kathy Willens)
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Mit einer Gesetzes-Änderung will die Schweiz die Rückgabe von Diktatoren-Geldern erleichtern. Nach 23 Jahren erhielt nun Haiti das Vermögen von „Baby Doc“.

BERN/WIEN (rie/g.a.). Mittlerweile machen die Zinsen wahrscheinlich mehr aus als die ursprüngliche Einlage: Nach 23 Jahren hat die Schweizer Regierung jetzt die Herausgabe gesperrter Gelder des ehemaligen haitianischen Diktators Jean-Claude Duvalier („Baby Doc“) angeordnet. Etwa 4,7 Millionen Euro sollen Entwicklungsprojekten zugutekommen.

Damit hat die Schweiz seit 2001 insgesamt mehr als 1,6 Milliarden Dollar an von skrupellosen Führern ausgebeutete Länder retourniert. Doch noch immer liegen Millionen Euros auf Nummernkonten der eidgenössischen Banken, darunter beispielsweise 300Millionen Dollar von Iraks getötetem Ex-Führer Saddam Hussein.

Ohne Klage keine Rückgabe

Der Fall Duvalier zeigt eines der gravierenden Probleme bei der Rückerstattung sogenannter Potentatengelder: Der Rechtsstreit darüber, wer nun Anspruch auf das Konto hat, kann sich über Jahre ziehen. Denn ohne ein Strafverfahren gegen den Kontoinhaber sind den Banken die Hände gebunden.

Nur in wenigen Fällen reagierte der Schweizer Bundesrat und sperrte von sich aus per Parlamentsbeschluss die Gelder bestimmter Diktatoren: Bei Duvalier etwa oder beim philippinischen Diktator Ferdinand Marcos. Das sei, erklärt ein Mitglied des schweizerischen Justizressorts offen, in erster Linie aus außenpolitischen Interessen erfolgt.

Mit einer Gesetzesänderung will man in Bern nun die Sperre und Rückerstattung von Potentatengelder vereinfachen. Seit Anfang des Jahres arbeitet das „Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten“ an einem für rechtliche Verhältnisse revolutionären Entwurf: Nicht mehr der Staat soll nachweisen müssen, dass Vermögen illegal erworben wurden. Sondern der Kontoinhaber bzw. der Zeichnungsberechtigte muss beweisen, dass er die Gelder rechtmäßig erworben hat.

Diese Beweislastumkehr gibt es im österreichischen Strafrecht zwar auch, aber nur bei Vermögenswerten von „kriminellen Organisationen“. Das geplante Gesetz soll auch dabei helfen, sicherzustellen, dass zurückgegebene Gelder tatsächlich der Bevölkerung des entsprechenden Landes zugutekommen.

Diktatoren aus aller Welt sparen gerne in der Schweiz, auch wenn seit einigen Jahren eine Vorschrift die Anonymität schwierig macht: Banken müssen ihre Kunden identifizieren, und zwar nicht nur den Strohmann, sondern den tatsächlich wirtschaftlich Berechtigten. Im Fall Duvalier war die Strohfirma eine Stiftung aus Liechtenstein, die die Mutter von „Baby Doc“ gegründet hatte.

Stiftungen als Schlupfloch

Das sei mittlerweile das Schlupfloch, um die Regeln gegen Geldwäsche zu umgehen. „Sie eröffnen eine Stiftung, über die dann das Geld in der Schweiz angelegt wird“, erklärt der Autor Gian Trepp („Swiss Connection“).

Andere berüchtigte Sparer kamen dagegen tatsächlich mit einem Geldkoffer durch die Hintertür. Der Abacha-Clan aus Nigeria etwa, der von 1993 bis 1997 zwei Milliarden Dollar aus dem Land schaffte. Abacha war denn auch einer der größten Rückgabefälle in der Schweiz: 500 Millionen Dollar überwies man an Nigeria.

680 Mio. von Marcos

Geschlagen wird das nur von Ferdinand Marcos, der von 1965 bis 1986 die Philippinen terrorisierte. 680 Millionen Dollar schaffte er in die Schweiz (konnte seiner Frau Imelda aber immer noch 1060 Paar Schuhe kaufen). 1987 sperrte der Bundesrat die Konten und führte die Gelder 1998 an die philippinische Nationalbank zurück. Eine der Bedingungen damals: Mit dem Geld sollten unter anderem Opfer von Menschenrechtsverletzungen entschädigt werden.

Andere prominente Fälle waren Kongos Präsident Mobutu (sechs Millionen Euro); Perus Geheimdienstchef Vladimiro Montesinos (75 Millionen Euro), Liberias Diktator Charles Taylor (bei dem man nur 1,3 Millionen Euro fand) und Saddam Hussein, von dem noch 300 Millionen Dollar in der Schweiz liegen. Wie viel Millionen oder Milliarden an Potentatengelder im alpenländischen Bankenparadies insgesamt angelegt sind, darüber gibt es nur Spekulationen. Die Vereinigung „Aktion Finanzplatz“ schätzt, dass es 250 Milliarden Dollar seien.

Bei manchen Diktatoren suchte man freilich vergeblich nach dem Privatkonto in der Schweiz. Beispielsweise bei Indonesiens Präsident Suharto. Seine Gelder fand man auf diversen Bankkonten in Österreich.

ZUR PERSON

Jean-Claude Duvalier, genannt „Baby Doc“, wurde 1951 geboren und folgte im Alter von 19 Jahren seinem Vater François („Papa Doc“, ein Arzt) als Diktator von Haiti nach. 1986 wurde er abgesetzt, floh ins Exil. Er lebt in einem Einzimmerappartement in Paris.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2009)

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