Johannis: "Die Leute wollen keinen, der nur quatscht"

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Klaus Johannis, der deutschstämmige Bürgermeister von Sibiu, über seine Präsidentschafts-Kandidatur und seine Qualifikationen.

Bukarest. Ausgerechnet ein Siebenbürger Sachse will Rumäniens Staatschef werden. Obwohl Klaus Johannis in den Prognosen hinter dem favorisierten Premier Victor Ponta rangiert, rechnet sich der langjährige Bürgermeister von Sibiu (Hermannstadt), der Chef der nationalliberalen Partei, bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag gute Chancen aus.

Die Presse: Herr Johannis, Sie haben einen schönen Job als Bürgermeister in Sibiu (Hermannstadt). Warum haben Sie sich entschieden, in die Schlangengrube der rumänischen Politik zu steigen?

Klaus Johannis: Ich bin einfach unzufrieden über die Art und Weise, wie Politik in Rumänien gemacht wird. Und darum möchte ich in eine Position gelangen, in der ich das verändern kann. Das klingt sehr einfach, bedeutet aber sehr viel. Ich denke, dass ich weiß, was zu tun ist. Ich glaube, dass ich dazu fähig bin – und dass ich genug Energie habe, meine Pläne auch zu verwirklichen.

In den Umfragen belegen Sie einen ehrenwerten zweiten Platz, aber es gibt nur einen Posten zu verteilen. Worauf begründet sich Ihr Optimismus, die Wahlen zu gewinnen?

Im ersten Wahlgang am 2. November werde ich wohl auf dem zweiten Platz landen. Denn von 14 Kandidaten ist nur einer aus dem Mitte-links-Lager, der jetzige Premier Victor Ponta. Alle anderen sind Mitte-rechts – und mit ihnen muss ich die Prozente teilen. Die Umfragen zeigen aber, dass bei der Stichwahl die Chancen mehr oder weniger bei 50:50 liegen. Manche weisen kleinere Abweichungen auf. Aber alle lassen noch keine klaren Gewinner erkennen.

Mit fast der Hälfte der Stimmen ist die Stichwahl aber auch noch nicht gewonnen.

Ich bin optimistisch. Denn der Zuspruch für mich steigt – und der Zuspruch für meinen Gegenkandidaten (Ponta) stagniert.

Sie sagen, Ihr Gegner sei nicht Ponta, sondern das System. Was meinen Sie damit?

Ponta steht nicht alleine da. Das ist ein ganzes System, das ihn vorschiebt – und stützt. Gerade jetzt hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen zahlreiche Mitglieder seiner (sozialdemokratischen) Partei eingeleitet – alle mit schweren Anschuldigungen (wegen Korruption). Meines Erachtens ist Ponta kein freier Kandidat, sondern der Exponent der Interessen seiner Partei-Barone. Das finde ich schlecht. Und viele Wähler auch.

Sie sind als Siebenbürger Sachse Angehöriger einer inzwischen sehr kleinen Minderheit in Rumänien. Ist das im Stimmenstreit ein Nach- oder Vorteil?

Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass es ein Vorteil ist, dass ich ein ethnischer Deutscher bin. Aber ich glaube auch nicht, dass mir daraus ein Nachteil erwächst.

Aber es gab doch schon Angriffe gegen Sie, dass Sie kein echter Rumäne und kinderlos seien.

Ja, es gab schon eine ganze Menge Attacken gegen mich – oft mit völlig erfundenen Themen. Das hat mich nicht beeindruckt, die Wähler auch nicht – und geht völlig an dem vorbei, was die Leute erwarten. Schließlich sollten Kandidaten eine Vision für die Lösung der Probleme vorschlagen. Es ist schade, dass viele Gegenkandidaten solche Angriffe als Wahlkampf verstehen. Und das ist auch ein Grund, warum wir die rumänische Politik verbessern müssen.

In der Kommunalpolitik sind meist rationale Erwägungen die Basis von Entscheidungen. In der nationalen Politik spielen Emotionen, Interessen, Intrigen und Rhetorik eine weit wichtigere Rolle. Ist Ihnen der Wechsel schwergefallen?

Der Wechsel ist mir nicht schwergefallen. Und ich habe den Eindruck, dass es den Leuten gefällt, dass nun einer da ist, der weniger quatscht und mehr tut. Ich bin einfach für eine Politik von weniger Show, weniger unnötigem Gerede – und mehr Lösungsvorschlägen. Darum werde ich hier als der schweigsame Kandidat betrachtet, was in gewisser Weise auch stimmt. Doch den Menschen gefällt es, dass nun einer gekommen ist, der auch zuhört, anstatt nur von morgens bis abends im Fernsehen zu quasseln. Das ist in der rumänischen Politik neu.

Sprechen wir über Ihre Pläne. Der scheidende Präsident Traian Basescu hat sich aktiv in die Tagespolitik eingemischt. Wie würden Sie bei Ihrer Wahl das Amt interpretieren?

In den letzten Jahren war „Teile und herrsche“ das höchste Prinzip. Doch es ist Zeit, dass Rumäniens Gesellschaft endlich zu heilen beginnt. Es ist Zeit für jemanden, der dem Land die Chance gibt, wieder zu sich selbst zu finden. Es ist höchste Zeit für einen Präsidenten, der die Dinge zusammenbringt, die zusammengehören. Aber natürlich werde ich als Präsident auch Schiedsrichter sein – und bei Verstößen gegen die demokratischen Regeln reagieren.

Sie haben die Entwicklung Ihrer Geburtsstadt Sibiu 14 Jahre lang recht erfolgreich gesteuert. Welche Erfahrung als Bürgermeister könnte für das Amt des Präsidenten denn nützlich sein?

Es ist keine grundlegend andere Sache. Man muss wissen, wie man ein Projekt anpackt und es zu Ende bringt. Wenn man weiß, wie man in Hermannstadt eine Mannschaft führt, weiß man auch, wie das in Bukarest geht. Und wenn man weiß, wie man eine Vision entwickelt und umsetzt, kann man das in Bukarest genauso tun wie in Hermannstadt. Letztlich geht es um die Glaubwürdigkeit, und um das, was man für die Gemeinschaft tun will – und tut.

ZUR PERSON

Klaus Johannis. Der Physiker und ehemalige Lehrer (55), ein Siebenbürger Sachse, amtiert seit 2000 als umtriebiger Bürgermeister von Sibiu (Hermannstadt). Seinen Kontakten ist es zu verdanken, dass die Stadt 2007 den Zuschlag als EU-Kulturhauptstadt erhielt. Joannis hegt seit Längerem höhere politische Ambitionen, 2009 kandidierte er bereits einmal als Ministerpräsident. Der Parteilose schloss sich der Nationalliberalen Partei an, die ihn im Juni zu ihrem Chef wählte. Die christlich-liberale Allianz kürte ihn dann zum Präsidentschaftskandidaten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2014)

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