Der neue Prunkpalast des Recep Tayyip Erdoğan

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Der Präsident ließ sich für 300 Millionen Euro einen neuen Sitz errichten. Die feierliche Einweihung wurde allerdings verschoben.

Istanbul/Ankara. Es hätte ein ganz besonderer Tag werden sollen in der Karriere von Recep Tayyip Erdoğan. Zum türkischen Nationalfeiertag am Mittwoch wollte der Präsident rund 4000 Gäste in seinen neuen Palast in Ankara einladen und damit eine neue Ära einläuten. Erdoğans „Neue Türkei“ soll ein starker, mächtiger Staat sein, und der neue Palast auf mehreren hunderttausend Quadratmetern Fläche soll diese Vision repräsentieren. Doch die Realität des Landes machte Erdoğan einen Strich durch die Rechnung: Das Grubenunglück im Süden der Türkei zwang ihn, die Einweihungsfeier des „Ak Saray“ – des „Weißen Palastes“ – kurzfristig abzusagen.

So blieb es bei einer kurzen Feierstunde, bei der Erdoğan im neuen Palast die Glückwünsche von Politikern und anderen Honoratioren zum Nationalfeiertag entgegennahm. Die eigentliche Einweihung muss also warten – doch dem Streit um den Riesenbau tut dies keinen Abbruch.

Was Ankara bisher an Repräsentativbauten zu bieten habe, sei der „Neuen Türkei“ nicht angemessen, sagte Erdoğan vor seiner Wahl zum Staatspräsidenten im August. „Wir schreiten sogar die Ehrengarde auf der Straße ab – können Sie sich das vorstellen?“, fragte er türkische Journalisten. Das Ministerpräsidentenamt, in dem Erdoğan von 2003 bis zum Sommer residierte, sowie der bisher als Präsidentensitz genutzte „Rosa Palast“ in Ankara sind eher schmucklose und beengte Zweckbauten ohne viel Flair.

Mit Moschee und Garten

Erdoğan aber strebt nach Größerem, und der Ak Saray erfüllt diesen Anspruch: 1000 Räume mit fünf Metern Deckenhöhe, ein abhörsicheres Präsidentenbüro nach dem Vorbild des Oval Office in Washington, ein eigener Trakt für Staatsgäste, eine Moschee, ein botanischer Garten, eine unterirdische Befehlszentrale, der selbst atomare, biologische oder chemische Angriffe nichts anhaben können. All das wird in einem Komplex untergebracht, der einer eigenen kleinen Stadt gleicht. Ehrfurcht und Respekt einflößend soll der Ak Saray wirken. Ganz so, wie sich Erdoğan das für sein Amt vorstellt.

Genau das ist das Problem, finden die Kritiker des Projekts. Sie werfen Erdoğan einen Hang zum Sultansgehabe vor und regen sich über den Prunk sowie die Baukosten von fast 300 Millionen Euro auf. Erdoğan hätte das Geld lieber in Sicherheitsvorkehrungen für türkische Bergwerke stecken sollen, ätzte die Opposition mit Blick auf das neue Unglück im südtürkischen Ermenek, wo 18 Arbeiter unter Tage vermisst wurden.

Für noch mehr Ärger sorgte Erdoğans Entschlossenheit, den Bau des Weißen Palastes in den vergangenen Monaten trotz gerichtlicher Einsprüche voranzutreiben. Der Palast steht auf dem Gelände des sogenannten Atatürk-Forsthofes, der dem türkischen Staatsgründer sehr am Herzen lag und eigentlich nicht bebaut werden darf. Erdoğan tat es trotzdem – auch das signalisiert, dass der Ak Saray für eine neue Ära stehen soll, in der Atatürks Rosa Palast abgelöst wird, und in der Atatürk selbst und sein Erbe nicht mehr unantastbar sind.

Eine Verfassungsklage gegen den Ak Saray läuft noch, doch Erdoğan hat mit dem wuchtigen Betonbau Fakten geschaffen. Allerdings geben die Kritiker nicht auf. So bezweifelt die Chefin der Architektenkammer von Ankara, Tezcan Karakuş Candan, dass der Präsident im Ak Saray wohnen darf.

Da das Palastgelände einem Bauverbot unterworfen sei, könne der Amtssitz auch nicht als Adresse für die offizielle Eintragung Erdoğans beim Einwohnermeldeamt dienen, sagt sie. Demnach ist der Präsident der Türkischen Republik so etwas wie ein illegaler Hausbesetzer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2014)

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