Verteidigung: Wie Russland die Reaktion der Nato testet

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Die Nato meldet eine Verdreifachung von Abfangmanövern russischer Militärflugzeuge in diesem Jahr. Russland wolle mit seiner zunehmenden Luftraumpräsenz über Europa Stärke zeigen, sagen Militärexperten.

Wien/Brüssel. Kaum ein Tag vergeht derzeit ohne Berichte über russische Manöver im europäischen Luftraum und in europäischen Gewässern. Am Donnerstag sichtete das lettische Militär nahe der eigenen Seegrenze ein russisches Marineschiff. Tags zuvor hatte die Nato von einem „ungewöhnlich hohen Ausmaß“ an russischen Luftwaffenaktivitäten über Europa gesprochen. Innerhalb von zwei Tagen wurden in Ostsee, Nordsee und im Schwarzen Meer mehrere russische Langstreckenbomber und Kampfjets von Nato-Jets abgefangen. Das Verteidigungsbündnis berichtete von mehr als 100 Abfangmanövern russischer Jets in diesem Jahr, dreimal mehr als 2013.

Experten sehen die Ukraine-Krise und die neuen Spannungen zwischen Russland und dem Westen als unmittelbaren Hintergrund für das militärische Muskelspiel. „Russland signalisiert: Wir sind eine Großmacht. Wir fliegen, wohin und wann wir wollen“, sagt Luftfahrtexperte Georg Mader vom Militärmagazin „Jane's Defense“ auf Anfrage der „Presse“. Gleichzeitig würde Moskau die Reaktionsfähigkeit der Nato abtesten.

Auch das Nato-Hauptquartier verweist auf die Ukraine-Krise. Sprecher Robert Phillips spricht gegenüber der "Presse" von einem "Anstieg russischer Flüge nahe am Nato-Luftraum seit dem Beginn der Ukraine-Krise". Phillips weiter: "Solche Flüge tragen nicht dazu bei, die derzeitige Situation zu deeskalieren."

Die russischen Militärflieger starten aus Kaliningrad, Kronstadt bei St. Petersburg sowie Murmansk ihre Erkundungsflüge. Die russische Luftwaffe ist aber nicht nur im internationalen Luftraum Nordeuropas, sondern auch im asiatischen Luftraum vermehrt unterwegs. Russlands Militärmacht sei dank staatlicher Investitionen in den vergangenen Jahren gestiegen, sagt Mader. „Man zeigt, was man hat.“ Die Abfang-Manöver von Seiten der Nato bezeichnet Nato-Sprecher Phillips als "Standardvorgang".

Gefahr für zivile Luftfahrt

Welche Folgen könnten die Manöver im europäischen Luftraum haben? Laut Einschätzung des Militärexperten Mader könne man noch nicht von Eskalation sprechen. „Von einem Schusswechsel ist nicht auszugehen“, sagt Mader. Doch das Risiko eines Irrtums oder einer Fehlsteuerung bei einem Begleitmanöver – zwischen den Flugzeugen ist mitunter weniger als 100 Meter Abstand – gebe es freilich.

Die größte Gefahr der vermehrten Luftraumaktivität besteht derzeit für die zivile Luftfahrt. Denn die Flugzeuge sind ohne Transponder unterwegs und daher für ziviles Radar nicht erkennbar. Für Passagierflugzeuge sind die Kampfjets, die in rasender Geschwindigkeit Flughöhen und Luftstraßen wechseln können, unsichtbar – bis sie aus dem Nichts auftauchen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2014)

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