Lettland: Premier warnt vor Staatsbankrott

(c) Reuters (Ints Kalnins)
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Die Baltenrepublik erlebt eine ökonomische Kernschmelze. Neues Kabinett muss sparen, um Hilfe zu bekommen. Valdis Dombrovskis tritt sein Amt mit einer Warnung an.

KOPENHAGEN/RIGA. Mit apokalyptischen Warnungen tritt Lettlands neuer Ministerpräsident Valdis Dombrovskis sein Amt an: Der Staat stehe „am Rande des Bankrotts“, sagt der 37-jährige Premier am Freitag, in wenigen Monaten sei die Staatskasse leer.

Nur dank der vom Internationalen Währungsfonds (IWF) koordinierten Hilfe internationaler Gläubiger könne der Zusammenbruch vermieden werden. IWF, EU, Weltbank und die skandinavischen Nachbarn haben Lettland insgesamt 7,5 Milliarden Euro in Aussicht gestellt und dafür eine Budgetsanierung verlangt.

Doch die vor zwei Wochen zurückgetretene Regierung habe ihre Verpflichtungen gegenüber dem Währungsfonds nicht erfüllt, sagt Dombrovskis. Nun müsse das neue Kabinett bis Ende März drastische Haushaltskürzungen in Höhe von fünf Prozent des Sozialprodukts vornehmen, um sich für die nächste Zahlung der Geldgeber zu qualifizieren. Komme dieses Geld nicht, sei Lettland pleite. Der neue Premier steht vor einem Scherbenhaufen. Innerhalb eines Jahres stürzte Lettland von den höchsten Zuwachsraten innerhalb der EU in die tiefste Depression ab. Im letzten Quartal 2008 sank die Wirtschaftsleistung um 10,5 Prozent, für 2009 lauten die Prognosen auf minus zwölf Prozent. Die Auslandsschulden sind mit 130 Prozent des BIPs die höchsten in Osteuropa, die Arbeitslosigkeit wird im Laufe des Jahres auf 20 Prozent ansteigen.

Drastische Lohnkürzungen

In dieser wirtschaftlichen Kernschmelze muss die Regierung mit Steuererhöhungen und drastischen Ausgabenkürzungen zusätzlich abbremsen, da das Budgetdefizit von einer Milliarde Euro doppelt so groß ist wie vorgesehen. Die Löhne im öffentlichen Sektor sollen um 15 Prozent gesenkt werden, in der Privatindustrie gibt es Gehaltskürzungen noch weit höheren Ausmaßes.

Eine Abwertung der an den Euro gebundenen und nach Ansicht vieler Beobachter überbewerteten Landeswährung Lat lehnt die neue Regierung hingegen ebenso entschieden ab wie ihre Vorgänger. Eine Abwertung würde die Hoffnung auf baldige Einführung des Euro torpedieren, fürchtet man in Riga. Sie würde die Rohstoffimporte verteuern, von denen die Industrie abhängig sei, und außerdem die Not der hoch verschuldeten Haushalte und Betriebe weiter verschärfen, da 90 Prozent der Kredite in Euro aufgenommen wurden, sagt Finanzminister Einars Repse, einst als Zentralbankchef für die Einführung des Lat verantwortlich.

Von 2002 bis 2004 war Repse Premier, damals mit Dombrovskis als Finanzminister. Beide gehören der rechtsliberalen Partei „Neue Zeit“ an, die zuletzt in scharfer Opposition zur regierenden Vier-Parteien-Koalition stand.

Abgrundtiefes Misstrauen

Dennoch gehören drei der bisherigen Regierungsfraktionen trotz ihrer Verwicklungen in Machtmissbrauch- und Korruptionsaffären auch dem neuen Kabinett an. Seine Regierung vereine „neue Gesichter und Kontinuität“, sagt Dombrovskis, sieht sich medial jedoch heftiger Kritik ausgesetzt, dass sein Kabinett – Lettlands 15. Regierung in 17 Jahren Selbstständigkeit – nicht den dringend notwendigen Neuanfang darstelle.

Das Misstrauen der Bevölkerung ist abgrundtief: Keine der Koalitionsparteien würde laut Umfragen bei Wahlen die Sperrgrenze von fünf Prozent übertreffen.

AUF EINEN BLICK

Wirtschaftliche Kennzahlen zeigen die Dramatik der Krise in Lettland. Heuer wird ein Absinken der Wirtschaftsleistung um zwölf Prozent erwartet. Die Auslandschulden betragen 130 Prozent des BIPs, die Arbeitslosigkeit soll 2009 auf 20 Prozent ansteigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2009)

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