Kiew: Russland schickt neue Panzer

UKRAINE CRISIS
UKRAINE CRISISAPA/EPA/MARKIJAN LYSEIKO
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Laut ukrainischer Armee überquerten Dutzende russische Militärfahrzeuge die Grenze zu Separatistengebieten. Moskau dementiert und hält am Minsker Friedensprozess fest.

Kiew/Donezk/Wien. In der Ukraine wird eine militärische Eskalation des Konflikts im Donbass befürchtet. Aus Russland kommende Panzer haben am Donnerstag nach Angaben des ukrainischen Militärs die russisch-ukrainische Grenze überquert. Das erklärte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, Andrij Lysenko, bei einem Pressebriefing gestern in Kiew.

Das Militär hatte bereits in den Tagen davor mehrmals vor einer Konzentration russischer Militärtechnik in den von den Separatisten kontrollierten ostukrainischen Gebieten gewarnt. Lysenko gab an, am Donnerstag habe eine Kolonne aus 32 Panzern, 16 Haubitzen und 30Lastwagen mit Waffen und Kämpfern die Grenze überquert, sie sei in Richtung Krasnij Lutsch unterwegs. Im Grenzort Izwaryne sei eine weitere Militärkolonne gesichtet worden, darunter drei Kamaz-Lkw mit Radar. Den offiziellen Grenzübergang hat die Kolonne, anders, als der Militärblogger Dmitrij Tymtschuk („Informationswiderstand“) behauptet hat, offenbar aber nicht überquert.

Auf Rückfrage der „Presse“ bei der auf der russischen Seite des Grenzpostens stationierten Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) erklärte deren Chefbeobachter, Paul Picard, dass „seit Beginn der Mission keine Militärtechnik“ gesichtet worden sei. Die OSZE-Beobachter sind Tag und Nacht im Einsatz, haben aber lediglich das laut Picard „sehr begrenzte“ Mandat, den Checkpoint in Augenschein zu nehmen. Andere auffällige Bewegungen konnte Picard nicht nennen, es gebe wegen des Regens aber keine Sicht. Einzig eine ungewöhnlich große Zahl von „Freiwilligen“, nämlich 24, habe Mittwochnacht die Grenze in die Ukraine gekreuzt. Eine Verlegung von Militärtechnik von Russland in die Ukraine ist dennoch leicht möglich: Die von den Separatisten kontrollierte Grenze zwischen der Ukraine und Russland beträgt etwa 400Kilometer, größtenteils flaches Land ohne natürliche Hindernisse.

Tags zuvor hatte die ukrainische Armee von der Ankunft von russischen Luftlandetruppen und Spezialkräften in Donezk und Schtschastia berichtet. Das Militär kündigte eine „angemessene Reaktion“ an. Die Nato sprach zunächst nur von einer „Verstärkung russischer Truppen“ an der Grenze.

Militärischer Druck auf Kiew

Kiew reagierte auf die Berichte des Militärs: Der ukrainische Präsident, Petro Poroschenko, erklärte in einem Telefonat mit der deutschen Kanzlerin, Angela Merkel, dass es zu signifikanten Verletzungen der Feuerpause gekommen sei, die Anfang September im weißrussischen Minsk beschlossen worden war. Der Waffenstillstand ist von Beginn an vielen Orten gebrochen worden, etwa auf dem hart umkämpften Flughafen Donezk oder im Kessel der Stadt Debaltsewe.

Russland hält offiziell am Minsker Memorandum fest, die Panzerkolonne dementierte man. Moskau hat aber in den vergangenen Tagen Kiew unmissverständlich dazu aufgefordert, weitere Gespräche mit den Separatisten zu führen. Die ukrainische Regierung befürchtet, dass sie nun mit massiertem militärischen Druck in die Knie gezwungen und zu weiteren Zugeständnissen gedrängt werden soll.

Die Angst vor einem offenen Angriff der in der Ostukraine stationierten Verbände ist seit gestern weitergewachsen. Militärexperten warnen davor, dass die irregulären Kampfverbände mithilfe regulärer russischer Truppen einen Korridor auf die Krim schlagen könnten. „Putin überlegt die Variante der offenen Aggression gegen die Ukraine“, glaubt Blogger Tymtschuk. Die Vorbereitungen in diese Richtung seien vorerst noch als Rückendeckung zu sehen. Man könnte aber auch einen Anlass für eine ukrainische Attacke schaffen, die zu unabsehbaren Folgen führt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2014)

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