Iran-Atomgespräche: Hektische Schlussrunde in Wien

Iranian Foreign Minister Zarif, U.S. Secretary of State Kerry and EU envoy Ashton sit at a table during  a meeting in Vienna
Iranian Foreign Minister Zarif, U.S. Secretary of State Kerry and EU envoy Ashton sit at a table during a meeting in Vienna(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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Taktisches Geplänkel bestimmte die Endphase der Verhandlungen. Außenminister kündigten ihre Abreise an – und blieben doch länger.

John Kerry startete in den schwierigen Tag mit Sport. Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen ging der US-Außenminister am Freitagmorgen am Donaukanal in Wien joggen. Ein gewaltiges Maß an Ausdauer aller Verhandler ist auch nötig für die komplizierten Gespräche im Palais Coburg in der Wiener Innenstadt. Unter Vermittlung der EU soll dort von Vertretern des Iran sowie Deutschlands und der fünf UN-Vetomächte USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und China über die Zukunft des iranischen Atomprogramm entschieden werden.

Von einer Einigung hängt ab, ob der Iran seine internationale Isolation aufbrechen kann, oder ob die Maßnahmen gegen das Land in Zukunft weiter verschärft werden – bis hin zu erneuten Drohungen mit einer militärischen Option. Der Westen wirft Teheran vor, Atomwaffen zu bauen. Der Iran beteuert jedoch, sein Nuklearprogramm diene ausschließlich friedlichen Zwecken.
Der Verhandlungsmarathon, der in den vergangenen Monaten über weite Strecken von Phasen des lockeren Dahintrabens gekennzeichnet war, soll jetzt mit einem Endspurt beendet werden. Denn laut Zeitplan muss bis Montag eine Einigung im Atomstreit gefunden werden.

Neue Gesprächsrunde am Freitagabend

Und die Schlussrunde starte mit wildem Taktieren und heftigem diplomatischen Geplänkel. Zunächst gaben die Iraner bekannt, dass der iranische Außenminister Mohammed Javad Zarif noch am Freitagnachmittag zurück nach Teheran reisen werde. Der Abflug aus Wien war bereits angemeldet. Aus Teheran wolle sich Zarif beim geistlichen Führer Ali Khamenei neue Instruktionen für den weiteren Verlauf der Gespräche holen, hieß es. Nur Stunden später sagten die Iraner den Abflug aus Wien aber wieder ab.

Auch US-Außenminister Kerry sollte am Freitagabend vorerst Wien verlassen, um in Paris „Konsultationen mit seinen europäischen Partnern über die Atomverhandlungen“ abzuhalten, wie eine US-Außenamtssprecherin berichtete. Doch auch er verschob kurzfristig seinen Abflug. Stattdessen traf er am Freitagabend zu einer weiteren Gesprächsrunde mit Zarif und der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton zusammen, die die Verhandlungen moderiert.

Laut diplomatischen Kreisen soll Zarif bereits ein Lösungsentwurf von den fünf UN-Vetomächten und Deutschland (5+1) übergeben worden sein. Zuvor war berichtet worden, dass Diplomaten an einem 30- bis 40-seitigen Übereinkommen arbeiteten. Um eine Einigung zu erzielen, müssen eine Reihe kniffliger Fragen gelöst werden.

Auf die Möglichkeit eines Scheiterns der Verhandlungen im nun seit über elf Jahren währenden Atomstreit wollten sich weder Diplomaten des Iran noch der 5+1 bisher einlassen. Das Szenario einer von Teheran ins Spiel gebrachten Verlängerung der Gespräche eventuell bis Februar stieß vor allem bei den vier westlichen Mitgliedern der 5+1 auf wenig Begeisterung, wird aber nicht ausgeschlossen. Für den Fall einer Einigung bis Montag sind zwei Optionen denkbar: ein vollständiges Abkommen mit Regelungen aller strittigen Details oder nur ein Grundlagenvertrag, dessen Einzelheiten noch ausgehandelt werden müssten.

Chance auf Kooperation gegen IS

Sollte ein Abkommen zum iranischen Nuklearprogramm gelingen, könnte dies erstmals seit der iranischen Revolution von 1979 zu einer grundlegenden Verbesserung der Beziehungen zwischen den USA und Iran führen. Dann bestünde die Chance auf eine verstärkte Kooperation beider Länder bei der Bekämpfung der Extremisten des sogenannten Islamischen Staates (IS). Selbst eine Beteiligung Teherans an den Bemühungen zur Beendigung des syrischen Bürgerkrieges wäre dann nicht mehr auszuschließen. Der Iran wiederum könnte endlich die internationalen Sanktionen loswerden und Investoren ins Land locken – eine Voraussetzung dafür, dass sich die angeschlagene iranische Wirtschaft erholt. (w. s., zum, cu, APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2014)

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