Wladimir Putins Offensive auf dem Balkan

Demonstration in Belgrad mit einem Foto von Wladimir Putin
Demonstration in Belgrad mit einem Foto von Wladimir PutinReuters
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Wie Moskau Serbien sowie Bosnien und Herzegowina den Weg in die EU versperren will.

Sarajewo. Neulich jährte sich das Friedensabkommen von Dayton, das den Krieg in Bosnien und Herzegowina beendet hat, zum 19. Mal. Damals waren sich alle großen Mächte der Weltpolitik darin einig, in Bosnien gemeinsam Frieden zu schaffen. Von der Nato geführte internationale Truppen kamen ins Land, eine zivile internationale Administration sollte den Friedensprozess überwachen und anleiten. Doch jetzt bricht eine der großen Mächte die Übereinkunft von damals: Russland.

Als am 11. November der Weltsicherheitsrat tagte, ging es auch um die Verlängerung des Mandats der Eufor-Friedenstruppen im Land. Diese internationalen Friedenstruppen bestehen zwar heute nur noch aus einem kleinen Kontingent unter österreichischem Befehl, doch weiterhin haben sie die Aufgabe, bewaffnete Auseinandersetzungen im Land zu verhindern.

Russland drohte erstmals, gegen eine Verlängerung des Mandats der Eufor-Truppen zu stimmen. UN-Botschafter Witali Tschurkin erklärte, Russland sei gegen jegliche internationalen Truppen in Bosnien, weil damit die Integration des Landes in die EU und die Nato beschleunigt werde. Schließlich enthielt er sich der Stimme. Großbritannien hatte angekündigt, bei einer russischen Blockade Nato-Truppen als Ersatz für die Eufor in Bosnien einzusetzen.

Keine Garantie für Bosnien

Schon im Mai, bei einer Tagung des Friedensimplementierungsrats (PIC), war Russland in Bezug auf Bosnien aus der Reihe getanzt. Die Botschaft: Russland will die Existenz des Staates Bosnien und Herzegowina in seinen jetzigen Grenzen nicht mehr garantieren.

Noch scheint das alles nicht sehr spektakulär. Doch in der Summe zeichnet sich eine konsistente Strategie Russlands gegenüber dem Westbalkan ab. Zur Zeit Jelzins und selbst in der ersten Amtszeit Putins hatte Russland zwar Sympathien für die Serben, die „orthodoxen Brüder“, gezeigt, doch gleichzeitig die Integration der Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien in die EU befürwortet. Jetzt will Moskau den Weg Serbiens und auch Bosnien und Herzegowinas in die EU erschweren. Vor allem aber will es die Aufnahme dieser Länder in die Nato verhindern.

Tschurkin sagte mit Blick auf die Ukraine in New York, es gebe genug „schlechte Beispiele“, in denen mit „Druck von außen“ einem Land eine europäische Zukunft auferlegt werden solle.

Seit 2012, nach der Wahlniederlage der prowestlichen Demokratischen Partei unter Premierminister Boris Tadić, geben sich serbische Politiker in Moskau die Klinke in die Hand. 2013 unterzeichnete der neue Premier, Ivica Dačić, Mitglied der Sozialistischen Partei, in Moskau ein Abkommen über eine strategische Partnerschaft Russland/Serbien. Auch militärisch wird zusammengearbeitet, im südserbischen Nis ist ein Spionagezentrum aufgebaut worden. Die wirtschaftliche Kooperation wurde erheblich verstärkt. Serbien weigerte sich, die EU-Sanktionen gegen Moskau mitzutragen. Und Russland beherrscht nun den Energiesektor in Serbien (siehe unten). Zwar hält die serbische Regierung weiter an dem Pro-EU-Kurs fest und ist mit Blick auf ihre Position gegenüber dem Kosovo keineswegs glücklich über die Annexion der Krim durch Russland. Doch angesichts der immer stärker werdenden prorussischen Stimmung in der Bevölkerung ist sie genötigt, zwischen beiden Seiten zu lavieren.

Gemeinsame Sache mit Dodik

In Bosnien ist Putin schon jetzt erfolgreicher. Russland gibt dem Präsidenten der serbischen Teilrepublik, Milorad Dodik, Rückendeckung für seine gefährliche Politik. Dodik hatte immer wieder gedroht, die serbische Teilrepublik aus dem gemeinsamen Staat Bosnien und Herzegowina abzutrennen. Heuer reiste er mehrmals nach Moskau und erhielt Kreditzusagen in Höhe von mindestens 270 Millionen Euro. Er durfte kürzlich sogar einen Orden der orthodoxen Kirche Russlands entgegennehmen. Jetzt brüstet er sich damit, die Zusage zu haben, Russland werde in allen supranationalen Gremien die Interessen der „Republika Srpska“ verteidigen – Dodik will Eufor und andere internationale Organisationen am liebsten aus dem Land jagen.

Westliche Diplomaten in Sarajewo gehen davon aus, dass Putin an einer Abtrennung der durch Krieg und ethnische Säuberungen entstandenen serbischen Teilrepublik von Bosnien und Herzegowina interessiert ist, um einen Präzedenzfall für die Ostukraine zu schaffen. Dann spätestens wäre Bosnien und Herzegowina wieder Schnittpunkt widerstreitender Interessen der großen Mächte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2014)

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