Ukrainisches Parlament wählt erneut Jazenjuk zum Premier

Mittlerweile nicht mehr Parteifreunde: Julia Timoschenko und der wiedergewählte ukrainische Premierminister Arseni Jazenjuk.
Mittlerweile nicht mehr Parteifreunde: Julia Timoschenko und der wiedergewählte ukrainische Premierminister Arseni Jazenjuk.(c) APA/EPA/SERGEY DOLZHENKO
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Das neue Parlament nimmt seine Arbeit auf. Mehrere prominente Gesichter finden sich unter den 450 Abgeordneten.

Mit 351 Stimmen der 450 Abgeordneten des Parlaments in Kiew darf Arseni Jazenjuk Premierminister der Ukraine bleiben. Am Donnerstag trat das neugewählte Parlament erstmals in Kiew zusammen. Der neuen Regierungs-Koalition gehört unter anderem der Block von Präsident Petro Poroschenko und die Volksfront von Jazenjuk an. Neuer Parlamentspräsident ist der bisherige Vize-Premier Wolodimir Groisman.

Die Mandatare begannen die erste Sitzung der Legislaturperiode mit dem gemeinsamen Singen der Nationalhymne, begleitet von einem Folklorechor. Es folgte eine Schweigeminute für die "himmlische Zenturie", jene rund hundert Demonstranten die bei den pro-europäischen Protesten auf dem Kiewer Maidan-Platz Anfang des Jahres getötet wurden, sowie für die im Kampf in der Ostukraine getöteten Soldaten.

Sitze bliebe leer

In der Obersten Rada säßen vorerst nur 418 von ursprünglich 450 Abgeordneten, sagte der scheidende Parlamentspräsident Alexander Turtschinow. Die übrigen Plätze blieben frei, weil Teile der umkämpften Ostukraine sowie die im März von Russland einverleibte Schwarzmeer-Halbinsel Krim an der Wahl nicht teilnehmen konnten.

Anders als von der Verfassung vorgesehen, war es nicht der älteste Abgeordnete, der die Sitzung eröffnete, sondern Turtschinow. Der Alterspräsident war in den Medien beschuldigt worden, den pro-russischen Separatisten im Osten des Landes nahe zu stehen. Zudem gilt er als Vertrauter des früheren, russlandfreundlichen Präsidenten Viktor Janukowitsch.

An der Parlamentssitzung nahm auch EU-Kommissar Johannes Hahn teil. Er sprach zu Beginn seines zweitägigen Besuchs mit Vertretern aller Parteien über die Krise im Land und will am Nachmittag mit Jazenjuk zusammenkommen. Er soll im Rahmen seines Besuchs auch die Chancen für eine weitere Annäherung des Landes an die EU ausloten.

Neue Gesichter im Plenum

Am Donnerstag war es für viele Abgeordnete ihre Premiere im Parlament, zum Beispiel für Oberst Juli Mamtschur. Während der Krimkrise gingen diese Bilder um die Welt: Ukrainische Soldaten marschierten unbewaffnet auf russische Einheiten zu, die einen Flugplatz auf der Halbinsel besetzt hielten - singend. Mamtschur habe damals den "Widerstandswillen der Armee symbolisiert", lobte die Militärführung. Das brachte ihm jetzt ein Abgeordnetenmandat für den Block des Präsidenten Petro Poroschenko ein.

Der 43-Jährige ist nicht der einzige Prominente unter den neuen Parlamentariern. Auch der älteste Sohn des Staatschefs, Alexej Poroschenko (29), zog in die Oberste Rada ein. Kritiker werfen dem Präsidenten vor, er versorge Familie und Freunde mit "Pöstchen" und betreibe damit jene Klientelpolitik, die er öffentlich verdamme.

Opfer von Polizeigewalt am Maidan

Für die Volksfront des Regierungschefs Arseni Jazenjuk sitzt fortan Michail Gawriljuk im Parlament. Der 35-Jährige erlangte während der proeuropäischen Massenproteste im Winter auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan) in Kiew traurige Berühmtheit. Damals zogen unbekannte Polizisten den Oppositionellen in bitterer Kälte nackt aus und ließen ihn im Frost stehen. Der Bauarbeiter mit der markanten "Kosakenlocke" wurde zu einem Symbol der Opfer der Polizeigewalt.

Auch eine der größten Reizfiguren in der ukrainischen Politik, der Ultranationalist Dmitri Jarosch, schaffte den Sprung ins Parlament. Der 43-Jährige leitet den militanten Rechten Sektor, der als Partei den Einzug in die Oberste Rada verfehlte. Seine oft radikalen Forderungen - zum Beispiel eine "Entrussifizierung" der Ukraine - brachten Jarosch immer wieder massive Kritik aus Moskau ein.

Ebenfalls im Parlament ist die Sängerin Slata Ognevich, die beim Eurovision Song Contest 2013 den dritten Platz belegte. Die 28-Jährige mit dem bürgerlichen Namen Inna Bordjug ist Abgeordnete der Radikalen Partei.

Neue Sanktionen beschlossen

In Brüssel haben die Botschafter der EU-Mitgliedsstaaten unterdessen weitere Sanktionen gegen die Separatisten in der Ostukraine verhängt. Wie EU-Diplomaten am Donnerstag mitteilten, wurden fünf Organisationen sowie 13 Einzelpersonen mit Konto- und Einreisesperren belegt. Die Entscheidung soll am Samstag im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden. Dann werden auch die Namen der Betroffenen bekannt. Damit stehen fortan 132 Ukrainer und Russen sowie 28 Unternehmen und Organisationen auf der EU-Sanktionsliste.

Im umkämpften Osten der Ukraine gingen die Kämpfe zwischen ukrainische Soldaten und pro-russische Rebellen trotz des Waffenstillstands weiter. Binnen 24 Stunden seien zwei Zivilisten getötet und acht weitere verletzt worden, teilte die Armee am Donnerstag mit. Bereits am Mittwoch waren in der Stadt Schumy rund 50 Kilometer nordöstlich der Stadt Donezk erneut Mitarbeiter eines OSZE-Beobachterteams unter Beschuss geraten.

(APA/dpa/Reuters)

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