Bosnien-Connection: Al-Qaidas Netzwerk in Österreich

Eine Großrazzia hat aufgedeckt, was Experten schon länger ahnten: Durch Österreich verläuft ein Terrorismus-Netzwerk, das von Bosnien nach Syrien reicht. Im Zentrum steht ein Prediger.

Wien. Eine Razzia dieser Größenordnung hat es in Österreich gegen den islamistischen Terrorismus noch nicht gegeben. In den frühen Morgenstunden rückten am Freitag in Wien, Graz und Linz 900 Beamte von Polizei, Verfassungsschutz und Einsatzkommando „Cobra“ aus. 13 Beschuldigte wurden festgenommen, 16 weitere Personen zu Einvernahmen vorgeführt. Im Rahmen mehrerer Hausdurchsuchungen beschlagnahmten die Einsatzkräfte terroristisches Propagandamaterial, zahlreiche Computer sowie Bargeld in unbekannter Menge. Weitere Informationen für die Öffentlichkeit gab es nicht. Staatsanwaltschaft und Innenministerium argumentieren mit „ermittlungstaktischen Gründe“. Die Vorbereitungen für den Zugriff hätten über ein Jahr gedauert.

Recherchen ergaben, dass der Schlag gegen die Jihadisten u. a. dem Hauptverdächtigen Prediger Ebu Tejma galt. Ihm und seinen Handlangern werfen die Behörden Mitgliedschaft an terroristischen Vereinigungen im Zusammenhang mit der Rekrutierung junger Menschen für den syrischen Bürgerkrieg vor. Die Spur führt über salafistische Kreise der bosnischen Community in Österreich in das bosnische Dorf Gornja Maoča, in die Kriegsgebiete im Nahen Osten und von dort über die berüchtigte al-Nusra-Front bis in das Zentrum von al-Qaida.

Der Hintergrund ist komplex. Das involvierte Netzwerk reicht weit. Ebu Tejma heißt eigentlich Mirsad Omerovic. Der serbische Muslim predigt in Deutschland und Österreich. Er gilt als Vertrauter des Salafisten und Konvertiten Pierre Vogel. Hierzulande hielt Tejma mehrfach als Gast Vorträge und Predigten in der Altun Alem-Moschee in Wien-Leopoldstadt. Der Staatsschutz hat dieses Gebetshaus schon länger unter Beobachtung. Der Imam dort heißt Adem D.

Route Österreich-Bosnien-Syrien

D. und Ebu Tejma kennen europäische Nachrichtendienste und Islamismusexperten als Vertraute eines gewissen Nusret Imamovic. Seit einigen Jahren schon führt er als Dorfvorstand das bosnische Örtchen Gornja Maoča an, in dem die Wiener Verbindungsleute auch mehrfach zu Besuch waren. Das Dorf hat sich von der Außenwelt abgekapselt und lebt streng nach der Scharia und den Ideen des einflussreichen salafistisch-jihadistischen Ideologen Abu Muhammad al-Maqdisi, der zuletzt weltweit Muslime zur Loyalität gegenüber al-Qaida aufrief. Unter Szenekennern ist es ein offenes Geheimnis, dass durch die Verbindung zwischen D., Tejma und Imamovic auch finanzielle Mittel von Wien nach Bosnien fließen.

Vor einem Jahr verschwand Imamovic plötzlich aus „seinem“ Dorf – und tauchte wenige Monate später mitsamt seiner Familie in den syrischen Bürgerkriegsgebieten auf. Nicht auf Seiten der medial stärker wahrgenommenen Organisation des Islamischen Staats (IS), sondern in den Reihen der berüchtigten al-Nusra-Front. Sie steht dem al-Qaida-Netzwerk von Osama bin Ladens Nachfolger Ayman al-Zawahiri nahe und liefert sich mit Anhängern des IS in Syrien zum Teil erbitterte Gefechte. Was hat das nun mit Österreich zu tun?

Dem bosnischen Netzwerk scheint es gelungen zu sein, eine komplette Logistikkette für Jihadisten aufzubauen – von der Anwerbung über den Transport bis hin zum Empfang in Syrien. Viele Puzzlestücke passen zusammen. Ebu Tejma sympathisierte in der Vergangenheit offen mit al-Qaida. Sein Kontaktmann in Bosnien soll der radikale Prediger und Vertraute von Nusret Imamovic, Bilal B., sein. Er steht im Verdacht, die Kämpfer vom Balkan in die Kriegsgebiete zu schleusen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29. November 2014)

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