Nahost: „Die EU darf nicht einseitig sein“

Oskar Deutsch
Oskar Deutsch(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Oskar Deutsch, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Österreich, über die Resolution des EU-Parlaments und die Rolle Europas als Mittler in Nahost.

Die Presse: Das EU-Parlament unterstützte über die Anerkennung eines palästinensischen Staates, zuletzt votierten irische Abgeordnete dafür. Beunruhigt Sie diese Entwicklung?

Oskar Deutsch: Ich halte eine Zweistaatenlösung für unumgänglich. Nichtsdestotrotz mache ich mir große Sorgen. Diese Entscheidung müssen die involvierten Parteien untereinander treffen. Ein Beschluss des EU-Parlaments – auch wenn er nicht rechtlich bindend ist – würde vor allem von der palästinensischen Seite den Druck nehmen. Die Palästinenser wären dann in ihren Verhandlungen mit Israel nicht mehr zu Zugeständnissen bereit. Gibt es diesen Beschluss, fällt Europa bei den Nahost-Friedensverhandlungen als ehrlicher Makler aus.

Die Befürworter der Resolution argumentieren genau umgekehrt: Ohne ein europäisches Signal habe Israel keinen Anlass, ernsthaft zu verhandeln.

Israel war stets zu Verhandlungen bereit und ist es nach wie vor. Die Probleme kommen stets von der anderen Seite. Die EU hält die Hamas einerseits für eine terroristische Vereinigung, fordert Israel andererseits aber auf, mit ebendieser Hamas zu verhandeln. Es gibt berechtigte Zweifel, ob ein Vertrag zwischen Israel und den Palästinensern von der palästinensischen Seite tatsächlich eingehalten wird.

Nachdem Sie europäischen Druck auf Israel nicht per se ablehnen: Wie sollte dieser Druck aussehen?

Man sollte den Israelis sagen, dass es jetzt an der Zeit ist, eine Lösung zu finden: Setzt euch mit den Palästinensern zusammen, verhandelt ernsthaft, auf dass es in zwei, drei Jahren eine Lösung gibt. Ich bin überzeugt davon, dass die Israelis Frieden wollen. Vorgänger des jetzigen Premiers, Netanjahu, hatten unterschriftsreife Abkommen auf den Verhandlungstisch gelegt. Wer damals nicht unterschrieben hat war Jassir Arafat.

Nichtsdestotrotz hat man momentan nicht den Eindruck, dass es Netanjahu mit den Friedensverhandlungen sonderlich ernst meinen würde.

Jede Medaille hat zwei Seiten. Die Bevölkerung in Israel will den Frieden, nur muss er auch Sicherheit bringen. Und der Friedensvertrag muss mehr wert sein als das Papier, auf dem er geschrieben ist.

In Brüssel wird auch über wirtschaftlichen Druck auf Israel nachgedacht, über Kennzeichnung von Produkten aus besetzten Gebieten. Halten Sie derartige Maßnahmen für produktiv?

Nein, sie sind schlicht unfair. Wenn die Europäische Union auch bei anderen Ländern, in denen es eine vergleichbare Situation gibt, über Boykotte nachdenken würde, dann kann sie das auch im Nahen Osten machen. Es ist mir völlig unverständlich, wie man derart einseitig auf Israel losgehen kann.

Angesichts der Tatsache, dass die EU Sanktionen gegen den Iran und gegen Russland verhängt hat, ist Ihre Kritik überzogen.

Es gibt für Europa genügend andere Baustellen – etwa Zypern, oder Marokko. Warum unternimmt Europa nichts gegen Terroranschläge? Was tut man gegen Aufrufe zum Mord an Juden in palästinensischen Schulbüchern, die teilweise mit EU-Geldern finanziert werden?

Vielleicht wäre es dann besser, wenn sich die EU gänzlich aus der Region zurückzöge und auf die Vermittlerrolle verzichtete.

Nein, auf keinen Fall. Die EU hätte durchaus die Möglichkeit zu einem ehrlichen Makler, aber sie darf nicht einseitig sein.

ZUR PERSON

Oskar Deutsch (49) ist seit Februar 2012 Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien sowie des Bundesverbands der Israelitischen Kultusgemeinden Österreichs. Zudem ist er Geschäftsführer des Familienunternehmens Alvorada. [ Fabry ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2014)

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