Der Schock über das Schulmassaker von Peschawar sitzt tief. Premier Sharif und die Armeespitze suchen die verstärkte Kooperation mit Afghanistan. Ist die Führung aber auch bereit, ihr Doppelspiel zu beenden?
Bangkok/Islamabad. Seit Jahren überziehen die pakistanischen Taliban (TTP) mit ihnen verbündete Gruppen das Land mit Anschlägen. Nicht selten zielen die Anschläge darauf ab, so viele zivile Opfer wie möglich zu treffen. Tausende Pakistaner haben so in den vergangenen Jahren ihr Leben verloren. Doch das Blutbad an einer Schule im nordwestpakistanischen Peschawar war selbst für pakistanische Verhältnisse maßlos brutal.
Sieben Mitglieder der Terrororganisation kletterten, verkleidet als Paramilitärs über eine Mauer und drangen in die Schule ein. Sie zogen von Klassenzimmer zu Klassenzimmer und töten so viele Schüler und Lehrer, wie sie nur konnten. Pakistan, ein ohnehin zutiefst traumatisiertes Land, steht unter Schock.
Der Terrorakt war indes kein Zeichen von Stärke. Die pakistanischen Taliban stehen vielmehr vor dem Aus. Durch die Militäroffensive haben sie ihre Operationsbasen verloren. Schon nach einem Wechsel an der Spitze der Gruppe vor rund einem Jahr brachen gewaltsame Machtkämpfe aus, bei denen Dutzende Militante getötet wurden. Die Organisation, die Ende 2007 durch den Zusammenschluss von rund einem Dutzend militanter Gruppen entstanden war, zerfiel in mindestens vier Fraktionen.
Doch auch der pakistanische Staat ist in Aufruhr. Tausende Anhänger eines moderaten Geistlichen und Unterstützer des Oppositionspolitikers Imran Khan haben in diesem Jahr gemeinsam wochenlang Teile des Regierungsviertels von Islamabad besetzt und Neuwahlen gefordert. Einige Regierungsgegner forderten offen ein Einschreiten der Armee, die in der Vergangenheit oft Regierungschefs aus dem Amt geputscht hat.
Einer der Politiker, die so ihre Macht verloren haben, ist Premier Nawaz Sharif. Er wurde 1999 in einem Staatsstreich entmachtet und musste sich ins Ausland absetzen. Seit seiner erneuten Wahl zum Regierungschef Mitte 2013 hat er sich immer offener mit Pakistans Generälen angelegt. Diese sind ungehalten, weil Sharif ihren ehemaligen Chef, Ex-Diktator Pervez Musharraf, vor Gericht stellen möchte.
Todesstrafe wieder eingeführt
Zumindest bei Oppositionspolitiker Khan ist ein Umdenken zu erkennen. Der Politiker hatte zuletzt Verhandlungen mit den Taliban gefordert und diese bisweilen zu freiheitsliebenden paschtunischen Patrioten stilisiert. Nach dem Anschlag von Peschawar verurteilte Khan die Militanten und nahm an einem Allparteientreffen teil, das Premier Sharif in Peschawar abhielt. Pakistan führte noch am selben Tag die Todesstrafe wieder ein.
Sharif erklärte nach dem Treffen, es werde keine Unterscheidung mehr zwischen „guten“ und „bösen“ Taliban geben. Das Land sei vereint im Kampf gegen den Terror. Pakistan und Afghanistan würden gemeinsam gegen Militante vorgehen. Doch wird der pakistanische Geheimdienst auch seine Unterstützung für die Taliban aufgeben?
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2014)