Putin: Ausland ist schuld an Krise

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Kreml-Chef Wladimir Putin vergleicht vor der Weltpresse die Nato-Osterweiterung mit der Berliner Mauer. Seine Antworten zum Rubel-Verfall sorgen für Ratlosigkeit.

Moskau. Normalerweise ist die mehrstündige Jahrespressekonferenz des russischen Präsidenten eine Bühne, auf der er seine Erfolge des zu Ende gehenden Jahres präsentieren kann. Mit allzu unangenehmen Fragen der versammelten russischen und internationalen Journalisten ist nicht zu rechnen. Dieses Jahr war das anders: Russland hat auf vielen Fronten zu kämpfen. Die Währungskrise, die sich zuletzt drastisch verschärft hat, war ein eher unangenehmes Thema bei Wladimir Putins gestrigem Treffen mit der Presse. Russlands Beziehungen zum Westen und der Krieg in der Ukraine gaben den zweiten Problemkomplex ab.

Als ein ukrainischer Journalist – erkennbar an seinem Pullover mit dem Aufdruck „Ukrop“, eigentlich „Dille“, aber auch ein Schmähbegriff für die ukrainische Konfliktpartei – eine kritische Frage nach der „russischen Strafoperation in der Ostukraine“ stellte, musste Putin erkennbar schlucken.

„Das sind keine Söldner“

Wie viele Soldaten und Söldner Putin in die Ostukraine geschickt habe, wollte der Journalist der ukrainischen Nachrichtenagentur Unian wissen. „Niemand, der in der Ostukraine kämpft, ist ein Söldner, denn er erhält kein Geld für seine Teilnahme“, antwortete Putin, der abermals die Theorie vertrat, dass auf der prorussischen Konfliktseite einzig und allein Freiwillige kämpfen würden. Zum Thema „Strafoperation“ antwortete Putin: „Was im Osten der Ukraine passiert, ist tatsächlich eine Strafoperation, aber sie wird von der heutigen Kiewer Regierung ausgeführt – und nicht umgekehrt.“ Es folgte verhaltener Applaus aus dem Publikum.

Der Nato warf Putin – wieder einmal – die Erweiterung nach Osteuropa vor. Diesmal verglich er die Expansion des Militärbündnisses mit dem Bau der Berliner Mauer.

Russland treiben derzeit aber andere Probleme um: Die angespannte Wirtschaftslage, der Verfall des Ölpreises, die Sanktionen der Europäischen Union und nun auch die Währungskrise machen dem größten Staat der Welt schwer zu schaffen. Putin trat am Donnerstag erstmals an die Öffentlichkeit, um die Gründe für die Rubel-Abwertung aus seiner Sicht zu erklären. Wenig überraschend rechtfertigte Russlands Präsident die Schwierigkeiten seiner Volkswirtschaft mit externen Hintergründen. „Die aktuelle Lage ist hauptsächlich auf ausländische Faktoren zurückzuführen“, erklärte Putin vor hunderten Journalisten im Moskauer World Trade Center. Vor allem der Verfall des Ölpreises sei schuld an der derzeitigen Lage. Nicht zum ersten Mal war daher die Ankündigung zu hören, dass die russische Wirtschaft sich weiter diversifizieren müsse.

Köpferollen erwartet

Putin gestand aber auch ein, dass seine Regierung keine schnellen Rezepte habe, die Krise könne länger dauern als ursprünglich gedacht. Er sprach von zwei Jahren. Die russische Notenbank und die Regierung würden „geeignete Maßnahmen“ ergreifen. Doch haben diese bisher mehr schlecht als recht gegriffen. Analysten sehen daher an Putins Reaktion zweierlei: Erstens, dass es in der Regierung große Auffassungsunterschiede gebe, wie in der derzeitigen Krise zu reagieren sei. Zweitens, dass es noch zu einem Köpferollen in den Führungsetagen kommen könnte.

Neben einer besorgten Miene bemühte sich der Präsident aber auch um Zweckoptimismus. Er sehe die Wirtschaft seines Landes trotz des Verfalls des Rubel auf einem stabilen Kurs. In den ersten zehn Monaten sei sie um 0,6 bis 0,7Prozent gewachsen. Trotz der Turbulenzen würden die Staatseinnahmen höher als die -ausgaben ausfallen. Putin versprach, dass der Staat seinen sozialen Verpflichtungen nachkommen werde. Budgetkürzungen schloss der russische Präsident jedoch nicht aus.

Kritiker dürften diese eher unentschiedenen Aussagen, aus denen eine gewisse Ratlosigkeit spricht, nicht zufriedenstellen. In den vergangenen Tagen hatte die Duma-Opposition den Präsidenten und dessen Reaktion auf die Krise ungewöhnlich hart kritisiert. Putin kündigte gestern übrigens an, künftig gewissenhafter mit der Opposition umgehen zu wollen. Die Bevölkerung klagt indes über steigende Preise, insbesondere bei den Grundnahrungsmitteln.

Russen wollen an ihr Geld

Seit Jahresbeginn hat die russische Währung 40 Prozent ihres Werts verloren, zeitweise gar bis zu 60Prozent. Diese Woche nahm die Rubel-Talfahrt neue dramatische Ausmaße an: Menschen versuchten, ihr Erspartes auszugeben, vor den Wechselstuben bildeten sich lange Schlangen, Berichte über Währungsspekulation machten die Runde, Dollar und Euro waren an vielen Geldausgabeautomaten nicht mehr zu erhalten. Auch in der Bevölkerung regte sich wachsende Unsicherheit über den Kursverfall, Erinnerungen an die Krisenzeiten der Neunzigerjahre werden wach.

Zwar verfügt Russland nach offiziellen Angaben über Währungsreserven von umgerechnet 336,60Milliarden Euro. Putin lobte auch jüngste Schritte der Zentralbank und der Regierung zur Stützung des Rubel als angemessen. Die Notenbank hatte nach einem ersten Kurssturz am Montag in einer nächtlichen Sitzung den Leitzins drastisch angehoben, dadurch aber den freien Fall des Rubel nicht aufhalten können. Am Mittwoch bremste das Finanzministerium mit einem massiven Devisenverkauf die Talfahrt.

AUF EINEN BLICK

Spektakel. Die Jahrespressekonferenz des Wladimir Putin ist ein Mediengroßereignis: Mehr als 1200 Journalisten aus dem In- und Ausland beobachteten im Moskauer World Trade Center den Auftritt des Präsidenten, der heuer drei Stunden und zehn Minuten dauerte. Im Vorjahr hatte sich Putin noch eine Stunde länger Zeit gelassen. Das Spektakel ist für ihn Routine: Es war die zehnte Pressekonferenz dieser Art in Putins 15 Jahren an der Macht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2014)

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