Computerangriff: Obama kritisiert Sony und droht Nordkorea

US-Präsident Barack Obama
US-Präsident Barack Obama REUTERS
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Der US-Präsident bezeichnet die Absage der Filmkomödie „The Interview“ nach anonymen Morddrohungen als Fehler.


Washington. Mit scharfen Worten hat der amerikanischen Präsident Barack Obama die Entscheidung des Filmkonzerns Sony Pictures kritisiert, den Film „The Interview“ wegen der anonymen Drohung mit Mordanschlägen auf Kinos nicht zu veröffentlichen.
„Ich denke, sie haben einen Fehler gemacht“, sagte Obama am Freitag im Weißen Haus. „Ich hätte mir gewünscht, dass Sony sich zuerst an mich wendet, bevor es so eine Entscheidung trifft.“ Der Präsident zeigte zwar Verständnis für die Sorge des Filmkonzerns und jener Kinobetreiber, die aus Angst vor Angriffen die für den Christtag geplante Premiere von „The Interview“ abgesagt hatten. Er warnte aber vor möglichen weitreichenden Folgen für die Meinungsfreiheit in den Vereinigten Staaten: „Wir können nicht eine Gesellschaft haben, in der irgendein Diktator die Zensur innerhalb der USA durchsetzt. Das ist nicht Amerika.“

„The Interview“ ist eine Komödie, in der James Franco und Seth Rogen zwei Talkshowgestalten spielen, die im Auftrag des US-Geheimdienstes CIA den nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un töten sollen. Das Regime in Pjöngjang erklärte diesen Film im Sommer zu einem kriegerischen Akt der USA und kündigte einen Gegenschlag an. Am 24. November brachen Hacker, die sich „Wächter des Friedens“ nennen, in das Computersystem von Sony ein und stahlen Massen von Daten. Nach diesem Raubzug veröffentlichten sie unter anderem peinliche E-Mails von Sony-Studiobossen, Bankdaten, Adressen und sonstige private Angaben über alle Sony-Mitarbeiter und das Drehbuch des nächsten James-Bond-Films.

FBI bestätigt Nordkoreas Täterschaft

Vergangene Woche spitzte sich diese Affäre zu, als die „Wächter des Friedens“ mit Mordanschlägen bei Premieren von „The Interview“ am 25. Dezember drohten. Sony hielt Rücksprache mit den größten US-Kinobetreibergesellschaften, die allesamt von der Ausstrahlung des Films Abstand nahmen. Das US-Heimatschutzministerium erklärte allerdings, es lägen ihm keine stichhaltigen Hinweise für Terrorpläne vor. Von Anfang an verdichtete sich der Verdacht, dass Nordkoreas Regime hinter dem Angriff auf Sonys Computer steht.

Am Freitag bestätigte die US-Bundespolizei FBI in einer Aussendung, dass die Hacker von Pjöngjang befehligt wurden: „Das FBI hat jetzt ausreichend viele Informationen, um den Schluss ziehen zu können, dass die nordkoreanische Regierung für diese Taten verantwortlich ist.“ So hätten die Hacker zum Beispiel dieselben Methoden wie bei einem Cyberangriff auf mehrere südkoreanische Banken im März verwendet. Die südkoreanischen Behörden konnten diese Attacke nach Pjöngjang zurückverfolgen. Das FBI gab auch bekannt, mehrere IP-Adressen von Computern identifiziert zu haben, die nachweislich den Nordkoreanern gehören. Diese Rechner hätten beim Angriff auf Sony mit jenem Computervirus kommuniziert, der nach dem Einbruch und Datendiebstahl begonnen hatte, die Sony-Festplatten zu löschen.

Präsident Obama kündigte einen amerikanischen Gegenschlag gegen Nordkorea an. „Wir werden angemessen handeln, und zwar auf eine Art und zu einer Zeit unserer Wahl“, sagte er. „Wie und wo, werde ich nicht hier und heute auf einer Pressekonferenz bekannt geben.“ Er fügte hinzu, dass diese Form des Psychoterrors einiges über die Schwäche der nordkoreanischen Diktatur aussage: „Der Umstand, dass Nordkorea einen Film mit Seth Rogen und James Franco als Bedrohung erachtet, zeigt, von welcher Art von Regime wir hier sprechen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20. Dezember 2014)

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