Präsident Poroschenko drängt auf die Abschaffung der Blockfreiheit. Neue Friedensverhandlungen in Minsk in Aussicht.
Kiew/Wien. Der ukrainische Präsident, Petro Poroschenko, hat einen Schritt in Richtung Nato-Annäherung seines Landes gesetzt. Poroschenko legte dem Kiewer Parlament am Donnerstagabend einen Gesetzesvorschlag vor, dem zufolge der blockfreie Status des Landes aufgehoben werden soll. Aus seiner Pressestelle hieß es dazu, dass der blockfreie Status der Ukraine sich als „nicht effektiv beim Schutz des Staates vor äußerer Aggression und Druck“ erwiesen habe. Poroschenko verweist dabei auf die Annexion der Krim durch die Russische Föderation im März sowie auf den militärischen Konflikt in der Ostukraine. Der Verbleib der Ukraine in einer „grauen Pufferzone zwischen mächtigen Systemen kollektiver Verteidigung“ stelle eine zusätzliche Herausforderung für das Land dar, heißt es in einer Erklärung zu der Novelle.
Vor allem das Budapester Memorandum von 1994, mit dem die Ukraine auf den Besitz von Atomwaffen gegen Garantien der USA, Russlands und Großbritanniens verzichtet hat, habe sich als unwirksam erwiesen. Ziel sei daher die Mitgliedschaft in der Nato. Auch das vorher bereits festgeschriebene Ziel einer Mitgliedschaft in der EU wird mit der Novelle bekräftigt.
Russland spricht von Provokation
Russland dagegen sieht in einem Beitritt der Ukraine zum westlichen Militärbündnis eine Gefahr für seine Sicherheit. Es handle sich um eine Provokation, wetterte Außenminister Sergej Lawrow am Freitag. Allerdings lehnt derzeit auch die Mehrheit der Nato-Staaten einen Beitritt der Ukraine zu dem Militärbündnis ab. Und solange der Konflikt im Osten des Landes schwelt, erscheint ein Beitritt zu dem Verteidigungsbündnis undenkbar.
Bezüglich des Krieges in der Ostukraine zeichnen sich Chancen für baldige Friedensgespräche ab. Die Ukraine-Kontaktgruppe, bestehend aus Vertretern Kiews, der Rebellen im Osten sowie der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und Russlands, werde sich am Sonntag oder Montag erneut in der weißrussischen Hauptstadt Minsk treffen, erklärte Frankreichs Präsident Franąois Hollande am Donnerstagabend nach dem EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs. Poroschenko selbst sprach von Sonntag, die Separatisten erklärten am späten Freitagnachmittag, dass man sich noch nicht auf einen Termin geeinigt habe, aber auf Gespräche noch vor Jahresende hoffe.
Fünf Soldaten getötet
Behandelt werden müsste in Minsk die Einhaltung der Waffenruhe, der Austausch von Gefangenen sowie der Abzug von Artillerie und anderer Militärtechnik, sagte Separatistenführer Denis Puschilin gestern. Er verlangte zudem ein Ende der Wirtschafts- und Finanzblockade des Donbass durch die ukrainische Führung sowie einen Sonderstatus für die Region.
Das letzte Treffen dieser Art hat es Anfang September gegeben. Damals wurden auch Schritte einer Konfliktlösung vereinbart, die bisher nicht umgesetzt sind. Diese beinhalteten auch einen Waffenstillstand der anfangs äußerst brüchig war, nach einer erneuten Bestätigung am 9. Dezember jedoch großteils eingehalten wird.
Vereinzelt kommt es aber immer wieder zu Kämpfen: Allein am Donnerstag und Freitag seien binnen 24 Stunden fünf Soldaten getötet und sieben weitere verletzt worden, sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, Andrij Lysenko. (ag./som)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2014)