Nach dem Pjöngjang zugeschriebenen Cyberangriff hofft Washington auf Hilfe aus China. Doch der „große Bruder“ Nordkoreas hält sich zurück.
Pjöngjang/ Washington. Mit wütender Stimme und ernstem Blick verlas die Sprecherin der nordkoreanischen TV-Nachrichten den Bericht zum Hackerangriff auf das Hollywood-Filmstudio von Sony. Dass laut US-Präsident Barack Obama das kommunistische Regime dahinter stecke, sei eine „grundlose Verleumdung“. Und betont martialisch drohte auch ein Sprecher der Nationale Verteidigungskommission in Pjöngjang mit einem „ultra-harten militärischen Angriff auf US-Boden“. Zuvor hatte ein Regierungssprecher angekündigt, das stalinistische Regime werde „die Fähigkeiten zur Selbstverteidigung, inklusive Atomstreitmacht“, ausbauen.
Unter dem Druck der Hacker hatte die US-Filmtochter Sonys die Veröffentlichung der Nordkorea-Trash-Komödie „The Interview“ über fiktive US-Geheimdienstpläne für ein Attentat auf Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un gestoppt. Eine Hackergruppe hatte mit Anschlägen auf Kinos gedroht. Sony ist für die Entscheidung von Obama scharf kritisiert worden. Aus Hollywoodstars wie George Clooney und TV-Serien-Drehbuchautor Aaron Sorkin äußerten sich empört.
Büro 121, Nordkoreas Cyber-Armee
Es war das erste Mal, dass die USA offen einen Staat als Urheber einer Hackerattacke auf US-Boden benennen. Obama hatte mit „Konsequenzen“ gedroht, ohne aber Details zu nennen. Es handle sich zwar nicht um einen Kriegsakt, aber um „Cyber-Vandalismus“, sagte er gestern. Offenbar erwägen die USA, Nordkorea auf die schwarze Liste jener Staaten zu setzen, die Terror fördern.
Die US-Regierung sucht indes Alliierte im Cyber-Kampf gegen Nordkorea: Tokio und Seoul hätten bereits ihre Unterstützung zugesagt. Vor allem aber hoffen die USA auf Unterstützung aus China. Eine Kooperation des KP-Regimes, dem wichtigsten Alliierten der Nordkoreaner, wäre zentral: Praktisch die gesamte Telekommunikation Nordkoreas läuft über von China betriebene Netzwerke. Bisher haben die USA aber keine Antwort aus Peking bekommen, schreibt die „New York Times“. Es sei unklar, ob China helfen werde: Das US-Justizministerium hatte im Mai fünf Hacker angeklagt, die wichtige Daten von US-Firmen gestohlen und für das chinesische Militär gearbeitet haben sollen.
Indes dringen immer mehr Details über die nordkoreanische „Cyber-Armee“ an die Öffentlichkeit: Überläufer aus dem isolierten stalinistischen Staat berichten vom berüchtigten „Büro 121“, eine Schmiede für hochintelligente Hacker, die zum Cyber-Angriff gegen den südlichen Nachbarn, aber auch die USA und andere nicht befreundete Länder blasen. Die Hacker, die im Auftrag des Militärgeheimdienstes tätig sind, würden zum Teil schon im Alter von 17 Jahren rekrutiert. Im „Büro 121“ seien insgesamt rund 1800 Cyber-Krieger versammelt. Die nordkoreanischen Hacker sollen im vergangenen Jahr mehr als 30.000 Computer in südkoreanischen Banken sowie die Webseite der Regierung in Seoul lahm gelegt haben.
Die Affäre droht die für heute geplante Debatte im UN-Sicherheitsrat über Menschenrechtsverbrechen in Nordkorea in den Schatten zu stellen. UN-Mitglieder hatten das höchste UN-Gremium aufgefordert, Nordkorea wegen Menschenrechtsverbrechen vor dem Internationalen Strafgerichtshof anzuklagen. Grundlage ist ein UN-Bericht, nach dem im isolierten Land systematisch gefoltert wird, politische Morde üblich sind, Hungersnöte herrschen und ein System von Gefangenenlagern ähnlich den Konzentrationslagern der Nazis unterhalten wird. Eine Klageerhebung ist unwahrscheinlich: China hat bereit ein Veto angekündigt.
(ag.)