Präsidentenwahl wird zur Nagelprobe der Regierung Samaras

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Der griechische Premier Antonis Samaras versucht die Flucht nach vorne und schlägt eine Vorverlegung der Parlamentswahlen vor.

Athen. Nächster Akt des Dramas: Am Dienstag geht der zweite Wahldurchgang zur Kür des Staatspräsidenten im griechischen Parlament über die Bühne, wie beim ersten müssten den Regierungskandidaten Stavros Dimas 200 der 300 Abgeordneten wählen, wie beim ersten ist es sicher, dass das nicht gelingen wird. Wird im dritten Wahlgang am 29. 12. die dann notwendige Mehrheit von 180 Abgeordneten verfehlt, müssen Parlamentswahlen abgehalten werden.

Nach dem schlechten Ergebnis von 160 Stimmen im ersten Durchgang versuchte der konservative Ministerpräsident, Antonis Samaras, am Sonntag, das Ruder herumzureißen: Er stellte in einer Fernsehansprache die Abhaltung vorverlegter Parlamentswahlen im Herbst 2015 in Aussicht, falls sich die Parteien auf die Wahl eines Präsidenten einigen können. Die Oppositionsparteien wiesen seinen Vorschlag umgehend zurück, doch der Druck auf die Volksvertreter steigt, besonders auf die 24 unabhängigen Parlamentarier und auf die Abgeordneten der Kleinparteien Demokratische Linke (Dimar) und Unabhängige Griechen (Anel).

Syriza greift nach der Macht

Die Regierung beschwört die Gefahr des „Grexit“, also des Euro-Austritts, falls die Präsidentenwahl scheitert und die Opposition die folgenden Parlamentswahlen gewinnt. Das Linksbündnis Syriza dagegen spricht von „Wahlterror“ und „Gängelung“ der Demokratie durch die Regierung. Zusätzlich vergiftet wurde das stark polarisierte Klima durch den angeblichen Bestechungsversuch des Anel-Abgeordneten Pavlos Chaikalis. Er ortete die Geldgeber im Umkreis von Antonis Samaras persönlich, was ihm eine Anzeige des Premiers einbrachte.

Bis zum dritten Durchgang könnte noch eine Reihe Abgeordneter „kippen“: In Griechenland erhalten Parlamentarier nach der Reihung der Vorzugsstimmen ihre Mandate. Das macht sie abhängiger von ihrer lokalen Klientel und anfälliger für ein Ausscheren aus der Parteilinie. Doch das ändert nichts an der Schwäche der Regierungskoalition der Konservativen (ND) und der Sozialisten (Pasok). Sieben ihrer Abgeordneten sind seit den letzten Wahlen 2012 abgesprungen, der dritte Koalitionspartner Dimar ging anlässlich der Schließung des Staatsfernsehens 2013 verloren.

Die Wählerbasis der einstigen Großparteien ist massiv eingebrochen. 2009 vereinten sie zusammen noch 77 Prozent der Stimmen auf sich. Bei der EU-Wahl im Mai 2014 waren es noch 35 Prozent. Zurzeit gibt es sieben Parteien im Parlament. Abgesehen von ND und Pasok sind alle gegen die Wahl von Stavros Dimas.

Parteiensystem zerbröselt

Der Zusammenbruch des alten Parteiensystems ist Folge der Spar- und Reformauflagen, der „Memoranden“ von EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds. Die rechtspopulistische Anel ist ein Paradebeispiel: Unscharf in ihrer sonstigen programmatischen Ausrichtung, lebt die Partei von ihrer Gegnerschaft zu den Sparprogrammen. Wie ein Magnet auf die Memorandumsgegner wirkte aber vor allem das „Radikale Linksbündnis“ (Syriza) unter seinem charismatischen Parteichef Alexis Tsipras. Bei den Parlamentswahlen 2009 noch bei 4,5 Prozent, kam es bei den letzten Wahlen im Juni 2012 auf erstaunliche 26,9 Prozent der Stimmen. Noch erstaunlicher ist, dass Syriza den Erfolg gefestigt und die Umbildung von einem losen Bündnis zu einer zentral geführten Partei geschafft hat, wie der Sieg bei den Europawahlen im Mai 2014 zeigte.

Die radikale Linke wird von jungen Leuten aus allen Bildungsschichten und Berufen gewählt. Die Behauptung, sie sei die Partei unzufriedener Beamter und Pasok-Gewerkschafter, ist falsch – Syriza wird auch von Beamten, mehr aber von Privatangestellten und Freiberuflern gewählt. Pasok und ND indes sind gealterte Parteien: Über 50 Prozent ihrer Wähler sind Pensionisten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2014)

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