Der 40-jährige Syriza-Chef Alexis Tsipras ist kein typischer Politiker – und deshalb beim Volk beliebt.
Athen. Jung und locker, schlagfertig und zielbewusst: Der erste Eindruck, den Alexis Tsipras, der Führer des Radikalen Linksbündnisses (Syriza), auf Beobachter macht, ist positiv. Keine hölzernen Phrasen, kein Herumreden um den heißen Brei. Er kommt schnell zur Sache und hat eine angeborene Fähigkeit, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Für die europäische Öffentlichkeit schien der jugendliche Parteiführer aus dem Nichts aufzutauchen, als er mit seiner Partei bei den Doppelwahlen des Jahres 2012 den zweiten Rang erreichte und sich in der Folge als linke Alternative zur Regierungskoalition aus Konservativen (ND) und Sozialisten (Pasok) etablieren konnte.
Der heute 40-jährige Bauingenieur Tsipras wuchs in Athen auf. Politisch aktiv wurde er erstmals 1990/1991 bei Schulbesetzungen und Schülerdemonstrationen. 2006 wurde er der breiteren Öffentlichkeit als Bürgermeisterkandidat des linken Synaspismos bekannt – nach einem unkonventionellen Wahlkampf vor allem über Internet und Facebook kam er überraschend auf zehn Prozent der Stimmen. Mit der Förderung des damaligen Synaspismos-Chefs Alekos Alavanos stieg er 2008 zum Chef des Linksbündnisses auf, revoltierte dann aber gegen seinen Förderer und übernahm auch die Führung der Parlamentsfraktion der Partei. 2009 musste er seine erste große Niederlage einstecken – als Chef der neu gebildeten Syriza kam er bei den Parlamentswahlen auf nur 4,7 Prozent. Sein Stern schien damit am Verblassen zu sein. Dann kam jedoch die große griechische Schuldenkrise, in der er sich von Anfang an wortgewaltig gegen die Spar- und Reformauflagen der europäischen Partner wandte und zur Symbolfigur des Widerstandes gegen Lohn- und Pensionskürzungen wurde. Das korrupte politische System bot ihm dankbare Angriffsfläche für seine Attacken.
Seine große Stunde kam bei den Doppelwahlen des Jahres 2012, als Syriza auf 16,8 und 26,9 Prozent der Stimmen kam und damit die Pasok als zweite Großpartei ablöste. Seither hat es Tsipras geschafft, Syriza vom losen Wahlbündnis zu einer zentral geführten Partei umzuwandeln. Weniger erfolgreich war er bei der Formulierung eines schlüssigen Wirtschaftsprogramms. Genossenschaftsmodelle, Verstaatlichungen, starker Zentralstaat – das sind seine Antworten auf die Globalisierung.
Populistische Instinkte
Erfolgreicher ist Tsipras bei der schonungslosen Aufdeckung der politischen Sünden seiner Gegner – doch das allein wird nicht reichen, um im Fall eines Wahlsieges erfolgreich mit den europäischen Gegnern zu verhandeln. Tsipras verfügt über populistische Instinkte, die oft ein schlechter Ratgeber sind: So meinte er im Dezember beim Einbruch der griechischen Börse, dass er nicht nach der Pfeife der Märkte tanzen werde, es seien vielmehr die Märkte, die nach seiner Pfeife tanzen müssten. Seine markigen Sprüche dürften ihn 2012 den Wahlsieg gekostet haben, als er gemäßigte Wähler verschreckte. Diesen Fehler will der jugendliche Parteiführer nun nicht wiederholen. Am letzten Sonntag wandte er sich mit großer staatsmännischer Geste an die berühmte politische Mitte, die er zu einem Wahlbündnis aufforderte. Er wolle das Volk nicht trennen, sondern vereinen, meinte er – und nahm seinen Wahlerfolg bei den bevorstehenden Parlamentswahlen bereits vorweg. (c.g.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.12.2014)