''Charlie Hebdo'': Verdächtige als "Kleinkriminelle" bekannt

Fahndungsfoto von Chérif K. und Saïd K.
Fahndungsfoto von Chérif K. und Saïd K.(c) Reuters
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Zwei Brüder, Kinder algerischer Einwanderer, aufgewachsen in Paris, radikalisiert und flüchtig. So skizzieren französische Medien das Leben von Chérif und Saïd K. - den mutmaßlichen "Charlie Hebdo"-Attentätern.

Die Verdächtigen haben einen Namen. In der Nacht auf Donnerstag hat die französische Polizei ein Fahndungsplakat ausgegeben, auf dem zwei Männer zu sehen sind: die Brüder Saïd und Chérif K. Die beiden Männer, 34 und 32 Jahre alt, sollen den Anschlag auf das Stairemagazin „Charlie Hebdo“ am Mittwoch verübt haben. Derzeit befindet sich das Geschwisterpaar, das in Polizeikreisen bisher als „kleinkriminell“ bezeichnet wurde, auf der Flucht.

Ein dritter Verdächtiger, der 18-jährige Hamyd M., stellte sich am Mittwoch gegen 23 Uhr der Polizei - er beteuert jedoch seine Unschuld. Wie die Zeitung „Le Monde“ berichtet, soll er mit den Hauptverdächtigen verschwägert sein. Offenbar stammt er aus der Familie von Chérifs Frau. Zumindest „trägt er denselben Namen“, heißt es dort. Das Wort „cellule familiale“, eine "Familienzelle", kursiert. Wie der Verteidigungsexperte Didier François dem Sender „Europe 1“ sagte, dürfte M., der angeblich in Reims zur Schule ging, für die „Logistik“, folglich mögliche Fluchtwege, verantwortlich gewesen sein.

Am meisten bekannt ist Behörden und Medien bisher über Chérif. Er wurde am 29. November 1982 im zehnten Arrondissement von Paris geboren und geriet erstmals 2005 ins Visier der Polizei. Der Grund: islamistische Tendenzen. Er soll einer zehnköpfigen Verbindung angehört haben, die nach dem städtischen Park „Buttes-Chaumont“ im 19. Arrondissement benannt ist. Die Organisation soll in den Jahren 2003 bis 2005 ein Dutzend Franzosen – allesamt jünger als 25 – für den Kampf an der Seite der Jihadisten im Irak rekrutiert haben, schreibt „Le Monde“.

Auch Chérif selbst wollte nach Damaskus ausreisen, wurde aber zuvor, am 25. Jänner 2005, festgenommen. Vor Gericht sagte der junge Mann, der in einer Pariser Moschee von dem Imam Farid Benyettou angeworben sein und sein Geld als Pizzalieferant verdient haben soll, aus, Bilder aus Abu Ghuraib hätten ihn zu diesem Schritt bewogen. Im Mai 2004 wurden Fotos publik, auf denen irakische Häftlinge zu sehen sind, die vom Wachpersonal misshandelt wurden. Schließlich wurde Chérif zu drei Jahren Haft verurteilt – 18 Monate davon wurden auf Bewährung ausgesetzt. „Mein Mandant wurde manipuliert“, zitiert „20 minutes“ Vincent Ollivier, den damaligen Anwalt von Chérif. „Er raucht, er trinkt. Was ihn interessiert, ist Fußball. Das ist ein ideales Ziel für islamische Prediger.“

2010 wurde sein Name im Zusammenhang mit Plänen genannt, den inhaftierten Islamisten Smain Ait Ali Belkacem aus dem Gefängnis zu befreien. Belkacem war einst Mitglied der algerischen Islamistengruppe GIA. Im Jahr 2002 war er wegen eines Anschlags in Paris von 1995 zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Hexagon, wie die Franzosen ihr Land auch nennen, soll Chérif übrigens  noch nie verlassen haben.

Wie Chérif wurde auch der heute 34-jährige Saïd im zehnten Arrondissement von Paris geboren, berichtete die „Libération“. Sein Geburtsdatum wird mit 7. September 1980 angegeben. Ins Visier der Ermittler trieben den Sohn algerischer Einwanderer die Aktivitäten seines Bruders im Jahr 2010. Konkrete Anschuldigungen liegen aber nicht vor.

„Zwei Jugendliche ohne Geschichte“

Die Kouachi-Brüder sollen ihre Kindheit in Rennes verbracht haben; von 1994 bis 2000 lebten sie in einem Jugendheim in dem Mittelalterstädtchen Treignac. Ihre Mutter erkrankte 1994 schwer und konnte sich nicht mehr um ihre Söhne Saïd, damals 14 Jahre alt, und Chérif, 12, kümmern. 1995 verstarb sie. Der Ausbilder am Jugendheim, Patrick Fournier, beschrieb gegenüber der Lokalzeitung „Le Populaire“ sowie RTL die Brüder als „perfekt integriert“ und als „harmlose Kinder“: Sie hätten nie irgendwelche Probleme gemacht, wären nicht gewalttätig gewesen oder hätten Fluchtversuche unternommen; stattdessen wären sie „lebenslustig und freundlich“ gewesen, wird der Pädagoge Fournier in der Zeitung „Le Figaro“ zitiert.

Der Ältere der Brüder, Saïd, hätte vorgehabt, Profifußballer zu werden; gemeinsam mit seinem Bruder hatte er während ihrer Zeit in Treignac bei einem lokalen Verein gespielt. Im Jugendheim absolvierte Saïd eine Hotellerieausbildung – er sei „voll und ganz bereit gewesen, ins Berufsleben einzusteigen“, sagte sein Lehrer Fournier dem RTL. Chérif sei sehr höflich gewesen und hätte seine Arbeiten immer sehr ernst genommen. Religiöse Forderungen hätten die Brüder nie gestellt – erst mit dem Umzug nach Paris im Jahr 2001 seien sie radikalisiert worden. Für Fournier seien Saïd und Chérif Kouachi „zwei Jugendliche ohne Geschichte“.

In den vergangenen vier Jahren sollen die Brüder, die laut Aussagen des französischen Innenministers Bernard Cazeneuve überwacht worden waren, bemüht gewesen sein, in Reims „ein „unauffälliges Leben“ zu leben, heißt es in „Le Point“. Bei der Observation hätten die Sicherheitskräfte keine Hinweise auf einen Terrorakt ausmachen können, sagte Cazeneuve gegenüber „Europe 1“.

>> Bericht von „Le Monde“

>> Bericht von „Le Point“

>> Bericht der „Libération“

>> Bericht von „Europe 1“

>> Bericht von „Le Figaro“

(hell)

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