Islamgelehrte verurteilen „Charlie Hebdo“-Karikatur

Satirical French magazine Charlie Hebdo cartoonist Luz holds a copy of their next issue during a news conference in Paris
Satirical French magazine Charlie Hebdo cartoonist Luz holds a copy of their next issue during a news conference in Paris(c) REUTERS (PHILIPPE WOJAZER)
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Die erste Ausgabe nach dem Anschlag auf die Redaktion erscheint in einmaliger Auflage, aber bekannt provokant. Islamische Institution geißelt „rassistischen Akt“.

Paris. Das Wort der Islamgelehrten des „Hauses der Rechtsprechung“ („Dar al-lfta“) in Kairo hat Gewicht. Seine Fatwas gelten als Leitfäden für Sunniten weltweit. Auch jetzt sind die Gelehrten deutlich: Als „rassistischen Akt“ geißeln sie die neue Titelseite des Satireblatts „Charlie Hebdo“. Die „ungerechtfertigte Provokation von 1,5 Milliarden Muslimen weltweit“ werde eine neue Welle des Hasses in der französischen und in westlichen Gesellschaften auslösen und sei „nicht förderlich für Dialog und Zusammenleben“.

Denn „Charlie Hebdo“ ist auferstanden. Bereits gestern zirkulierte das Titelblatt der Sondernummer nach dem Attentat auf die Zeitung, bei dem in der Vorwoche zwölf Menschen, darunter berühmte Karikaturisten des Satireblatts, ermordet worden waren. Auf grünem Grund ist Mohammed mit Bart und Turban abgebildet, der eine Träne vergießt und – wie Millionen Demonstranten in den vergangenen Tagen – ein Schild hält, auf dem „Ich bin Charlie“ steht – also das geflügelte Wort all jener, die sich mit dem Satireblatt nach dem Anschlag solidarisierten.

Unter dem üblichen Schriftzug „Charlie Hebdo“ und dem Untertitel „Journal irresponsable“ („unverantwortliche Zeitung“) ist „Tout est pardonné“ („Alles ist vergeben“) als Überschrift zur Zeichnung des Karikaturisten Luz zu lesen. Man fragt sich, wie ironisch das gemeint ist. Im Voraus hat er versprochen, Charlie Hebdo werde so frech und unkorrekt sein wie immer. Man wusste auch seit Tagen, dass in dieser Revival-Nummer verschiedene unpublizierte Zeichnungen und Texte der Ermordeten gedruckt würden.

Satireblatt im „Exil“ produziert

Leicht fiel es den Mitarbeitern von „Charlie Hebdo“, die den Anschlag überlebt haben, bestimmt nicht, diese Ausgabe zu produzieren. Doch sie waren sich einig: Sie sind es sich und ihren toten Kollegen schuldig, weiterzumachen, jetzt erst recht. Seit dem Überfall hat „Charlie Hebdo“ bei der Pariser Zeitung „Libération“ hinter dem Place de République Asyl erhalten. Es ist nicht das erste Mal, dass die Satiriker bei „Libé“ provisorisch beherbergt werden: Schon nach einem Brandanschlag, der 2011 nach der Publikation von Mohammed-Karikaturen ihre Redaktion verwüstet hatte, mussten sie hierher ausweichen. In den Räumen der Libération mussten die jetzt teils noch unter Schock stehenden Journalisten und anderen Mitarbeiter von Charlie Hebdo vor der zudringlichen Neugier der anderen Journalisten geschützt werden. Die Säle, in denen sie ihre nächste Nummer vorbereiteten, waren durch eine weiße Schiebewand mit der Aufschrift „Kein Zutritt für Journalisten“ abgesperrt.

Groß war auch die Erwartung der Leser. Und kam normalerweise Charlie Hebdo in 50.000 Exemplaren heraus, wird die Sondernummer in der einmaligen Auflage von drei Millionen gedruckt und in sechzehn Sprachen übersetzt. Auf Deutsch ist sie vermutlich ab Samstag erhältlich. In Paris hatten alle Kioske und anderen Verkaufsstellen seit Tagen eine lange Liste von Bestellungen. Neben den üblichen Abnehmern sind darunter viele, die jetzt wissen wollen, was dieses Blatt denn wirklich ist und warum es islamistische Fanatiker derart gereizt haben könnte. Umstritten ist sein spöttischer Umgang mit Religionen generell freilich auch weiterhin.

Ein Teil der Muslime, denen diese Satirekultur fremd ist, betrachtet diese Zeichnungen als unzulässige Beleidigung. Andere wiederum finden das völlig normal und verweisen auf die Meinungsfreiheit. In einer Fernsehreportage von France-2, bei der auf einem Markt Frauen mit islamischen Kopftüchern und ältere Araber zu ihrer Ansicht zu diesem Titelblatt befragt wurden, war ein gewisses Missbehagen zu spüren. Das hängt auch mit der weitverbreiteten Befürchtung zusammen, dass man Muslime nach den Verbrechen der islamistischen Terroristen erst recht mit Misstrauen betrachte.

Flugzeugträger vor Verlegung?

Das Parlament in Paris stimmte derweil am Dienstagabend für eine Verlängerung der Beteiligung am internationalen Militäreinsatz gegen den Islamischen Staat (IS) in Syrien und im Nordirak – mit 488 zu eins Stimmen. Die übrigen der insgesamt 577 Mitglieder der Nationalversammlung, allesamt von Linksparteien, enthielten sich der Stimme.

Frankreich ist seit Oktober mit derzeit 15 Kampfflugzeugen an Luftangriffen gegen den IS beteiligt. Heute Mittwoch soll Präsident Hollande bekanntgeben, ob der Flugzeugträger „Charles de Gaulle“ mit rund 40 Flugzeugen und Hubschraubern in den Persischen Golf zur Verstärkung verlegt wird. Die Verlegung war schon seit längerem geplant, galt aber schon vor den Anschlägen in Paris als sehr heikel – eben wegen der Terrorgefahr.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2015)

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