Ukraine: Die Zeichen stehen wieder auf Krieg

Ukraine´s President Poroshenko is seen as he makes his address to the nation in Kiev
Ukraine´s President Poroshenko is seen as he makes his address to the nation in Kiev(c) REUTERS (HANDOUT)
  • Drucken

Die Friedensgespräche sind auf unbestimmte Zeit vertagt, „grüne Männchen“ tauchen auf, Zivilisten werden beschossen: Die Lage im Donbass spitzt sich zu.

Warschau/Kiew. Die orthodoxe Feiertagsruhe im Donbass ist vorbei. In den vergangenen fünf Tagen haben sich die Angriffe prorussischer Separatisten laut ukrainischen Militärangaben versiebenfacht. Am Mittwoch schlugen sie in einem Schulhof von der Ortschaft Awdewka zu, die sich seit Sommer wieder unter ukrainischer Verwaltung befindet. Erneut ist auch der internationale Flughafen von Donezk unter Beschuss der Separatisten. Diese versuchten nach dem Scheitern der für heute im kasachischen Astana geplanten Friedensgespräche die Anfang September vereinbarte Waffenstillstandslinie zu ihren Gunsten auszudehnen, heißt es in Kiewer Armeekreisen.

Russland soll zu diesem Zweck bereits über Neujahr neue Kämpfer und Waffen in die beiden selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk geschickt. haben. Allein bei Gorliwka unweit von Donezk wurden in den ersten Jänner-Tagen bis zu 300 „grüne Männchen“ beobachtet, frisch eingekleidete Kämpfer ohne Hoheitsabzeichen an ihren Uniformen. Im Norden der „Volksrepublik“ Lugansk wurden neue Frontabschnitte gegen die restliche Ukraine hin eröffnet. Allerdings schießt die ukrainische Armee laut Augenzeugen immer präziser zurück. Offenbar verfehlen die von den USA gelieferten Radargeräte ihre Wirkung nicht. Präsident Petro Poroschenko kündigte inzwischen eine Truppenaufstockung entlang der Waffenstillstandslinie an. Diese wird nun an den meisten Stellen von einem dreifachen Schutzwall gegen den Rest der Ukraine gesichert. Die Zeichen stehen damit wieder auf Krieg.

Opfer dieser Zuspitzung wurden am Dienstag gut zwei Dutzend Passagiere eines altersschwachen orangefarbenen Busses. Beim Versuch, einen dieser Kontrollpunkte zu passieren, soll der zivile Reisebus in der Ortschaft Wolnowacha vermutlich versehentlich von prorussischen Separatisten beschossen worden sein. Zwölf Menschen starben. Die Separatisten bestreiten jede Verantwortung und beklagen stattdessen wie Moskau eine von Kiew beschlossene weitere Isolierung des ukrainischen Kohlebeckens. Am Montag unterzeichnete Poroschenko ein Gesetz, das ein neues Transitregime durch die von Separatisten besetzten Gebiete einführt. Bisher konnten die Ukrainer frei über die Frontlinien im Donbass hin- und herreisen. Innert Wochenfrist sind dafür nur noch sieben Transitkorridore zugelassen. Die Kontrollpunkte können auf ukrainischer Seite nur mit Sondergenehmigung passiert werden.

Die neue Regelung gilt für Ukrainer genauso wie für Ausländer und soll wie eine ähnliche Maßnahme für die Krim die Sicherheit in der Ukraine befördern und den Schmuggel unterbinden. Ob sich das Transitregime in dem unübersichtlichen Gebiet durchsetzen lässt, ist noch ungewiss. Klar ist hingegen, dass damit der prorussisch beherrschte Teil des Donbass immer mehr sich selbst überlassen und damit zu Putins Spielball wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Außenpolitik

Tödliche Fahrt über die Frontlinie

An einem ukrainischen Checkpoint wurde ein Kleinbus mit Zivilisten beschossen. Zwölf Menschen starben. Der Beschuss kam vermutlich von Stellungen prorussischer Bewaffneter.
Außenpolitik

Bus in Ostukraine beschossen: Mindestens zwölf Tote

Mehrere Zivilisten kommen durch ein Geschoß südlich von Donezk ums Leben. Die Separatisten weisen die Vorwürfe zurück.
GERMANY FOREIGN MINISTERS MEET OVER UKRAINE
Außenpolitik

Ukraine-Krisengipfel vorerst geplatzt

Beim Konflikt zwischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine wurden bereits mehr als 4700 Menschen getötet.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.