Griechenland: Angriff auf den Kapitalismus

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GREECE ELECTIONS(c) APA/EPA/ORESTIS PANAGIOTOU (ORESTIS PANAGIOTOU)
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Die linksradikale Syriza steht vor einem Wahlsieg. Sie spielt mit Populismus und attackiert das westliche Wirtschaftssystem.

Alexis Tsipras dürfte es gelingen, die breite Frustration der griechischen Bevölkerung in einen Wahlsieg für seine Partei, Syriza, zu verwandeln. Zumindest sieht es nach letzten Umfragen vor der am Sonntag stattfindenden Parlamentswahl danach aus. Schafft Tsipras mithilfe der Wahlordnung sogar die absolute Mehrheit im Abgeordnetenhaus, würde erstmals seit der Wende vor 25 Jahren eine radikale linke Partei allein die Regierung eines europäischen Staates stellen.

„Wir sind eine ganz normale Partei“, versicherte zwar das ZK-Mitglied der Syriza, Giorgos Chondros, der „Presse“. Doch die europäischen Partner sehen das anders. Syriza will die Privatisierung stoppen, die Änderungen im Arbeitsrecht zurücknehmen, mindestens 9500 entlassene Staatsangestellte wieder einstellen, in das Bankensystem eingreifen und vor allem das Krisenmanagement der Eurozone torpedieren. Es ist ein populistisches Programm, das vielen Südeuropäern aus dem Herzen spricht. Gleichzeitig greift es die westliche Wirtschaftsordnung, Grundlage des europäischen Binnenmarkts, frontal an.

Tsipras nennt als Referenz für das Scheitern des Kapitalismus das Hilfsprogramm für sein Land, das ein marodes Finanzsystem gestützt, aber wenig zur Verbesserung der Lage beigetragen habe. Wie er und seine Parteikollegen bei Wahlauftritten kritisieren, sei bisher kein Euro des insgesamt 234Milliarden schweren Hilfsprogramms von IWF und EU bei der Bevölkerung angekommen. Tatsächlich kam das Geld überwiegend Banken zugute, die sonst mit ihren ehemals hochprofitablen griechischen Staatsanleihen vor dem Bankrott gestanden wären. Und Syriza kann auch ins Treffen führen, dass das Ziel der Hilfe verfehlt wurde: Staaten wie Griechenland wurden zwar zu Reformen verpflichtet, konnten aber ihre Schulden nicht abbauen. Im Gegenteil: Athen ist heute mit 361 Milliarden Euro verschuldet. Zu Beginn der Krise 2008 sind es 263 Milliarden Euro gewesen.

Selbst das neuerliche Eingreifen der Europäischen Zentralbank scheint die Syriza-Kritik zu bestätigen, obwohl es neben dem Ankauf von Staatsanleihen diesmal auch um die Finanzierung von Unternehmensanleihen geht. Ein großer Teil des neuen Geldes droht nämlich auf Finanzmärkten zu versickern und wenig zur Förderung der Realwirtschaft beizutragen. Syriza möchte das System grundsätzlich ändern und fordert einen Schuldenschnitt von etwa der Hälfte der auf 175 Prozent des BIPs angewachsenen Lasten– ein Modell, das dann auch bei anderen südeuropäischen Ländern Anwendung finden soll. Was in Griechenland populär klingt, ist in Ländern wie Deutschland eine Horrorvorstellung. Denn damit würde die Reformbereitschaft von Athen bis Lissabon auf null sinken. Syriza und ihr Wirtschaftsberater, Theodoros Paraskevopoulos, wollen aber nicht nur das aufgezwungene Reformprogramm beenden, sie wollen auch im eigenen Staat die Marktwirtschaft durch eine reglementierte Planwirtschaft ersetzen. Der Wettbewerb – wichtigstes Attribut der Marktwirtschaft – wird offen infrage gestellt. Der Staat soll allen negativen Erfahrungen zum Trotz erneut als Eigentümer von Kernbetrieben wie etwa im Energiesektor fungieren. Syriza sah bereits in der Vergangenheit keine Notwendigkeit, warum etwa die staatliche Lottogesellschaft privatisiert werden sollte. Der Staat, so die feste Überzeugung der Parteiideologen, soll Arbeitsplätze schaffen und absichern.

Politische Gegner wie jene der bisher regierenden Nea Dimokratia hoffen darauf, dass Syriza rasch entzaubert wird. Denn letztlich wird auch eine neue Regierung in Athen von internationalen Geldgebern abhängig bleiben. Will Tsipras einen eigenen Weg gehen und sich aus dem Euro-Hilfsprogramm verabschieden, würde er das Land wieder über die Finanzmärkte finanzieren müssen. Hohe, sehr hohe Zinsen, wären die Folge.

Wenn der IWF aussteigt...

Aber es gibt auch ein anderes Szenario: Der IWF, der sich derzeit noch am Hilfsprogramm beteiligt, hat bereits seit Anfang des Jahres seine Hilfszahlungen ausgesetzt. Er will die Wahlen abwarten. Der Währungsfonds war treibende Kraft für eine Liberalisierung und Privatisierung der griechischen Wirtschaft. Er könnte vor seinen Hauptfinanciers (USA, Japan, Deutschland und Großbritannien) kaum rechtfertigen, dass er eine Führung stützt, die das westliche Wirtschaftssystem untergräbt. Ob dann noch die Euroländer allein die politisch bereits schwer durchsetzbare Hilfe für Athen stemmen, ist zu bezweifeln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2015)

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