Ideologie: Sehnsucht nach einer neuen Linken

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Der Syriza-Erfolg stärkt linke Strömungen in Krisenländern, aber auch in sozialdemokratischen Parteien wie der SPÖ werden Forderungen nach einer Neuorientierung laut.

Wien. Freundlich, aber verhalten, reagiert Europas sozialdemokratische Führung auf den Wahlerfolg der linksextremen Syriza in Griechenland. Bundeskanzler Werner Faymann spricht von einer „konstruktiven Zusammenarbeit“. Frankreichs Präsident François Hollande wünscht sich eine „enge Kooperation“. Doch hinter den Kulissen sorgt der Erfolg des charismatischen griechischen Wahlsiegers, Alexis Tsipras, für Unruhe im linken Lager.
Denn die Sozialdemokraten waren mit ihrem Festhalten an einer Spar- und Reformpolitik nach deutschem Muster auch diesmal die großen Verlierer. Die Schwesterpartei der SPÖ, die griechische Pasok, kam gerade einmal auf 4,7 Prozent – ein historischer Tiefststand. Ihr ehemaliger Parteivorsitzender, Giorgios Papandreou, schaffte mit seiner abgespalteten Gruppe nicht einmal den Einzug ins Parlament.

Eine neue Linke hat sich etabliert und droht nicht nur in Athen den traditionellen Parteien das Wasser abzugraben. Sie nährt sich an der Frustration über die Sparpolitik, aber auch am Ärger über etablierte Parteien, die mit Korruption und Nepotismus ihre Länder heruntergewirtschaftet haben. In Spanien steht Pablo Iglesias mit seiner Bewegung Podemos in den Startlöchern, um bei den Parlamentswahlen Ende des Jahres ebenso wie Syriza zur stärksten Partei aufzusteigen. In Italien droht der linke Flügel der regierenden Partito Democratico von Matteo Renzi mit Abspaltung. Die italienischen Linken fühlen sich durch den Syriza-Erfolg beflügelt. Sie fordern eine Abkehr von schmerzhaften Reformen, vom Sparkurs und von ausufernden Maßnahmen zum Erhalt des Banken- und Finanzsystems.

Zwar versuchen auch traditionelle kommunistische Gruppen wie in Frankreich oder wie die Linke in Deutschland, am Syriza-Erfolg mitzunaschen. Aber das Beispiel Griechenland zeigt, dass jetzt eine jüngere Generation am Werken ist, die sich von der „alten“ Linken und von zahm gewordenen Sozialdemokraten distanzieren möchte.

Den Sozialdemokraten ist es bisher nicht gelungen, die Finanz- und Schuldenkrise für ihren Erfolg zu nutzen. Sie mussten wegen ihrer Regierungsbeteiligung in Deutschland, Frankreich und Italien einen pragmatischen Kurs einschlagen. Es war ein Kurs, der sich vor allem an den Mechanismen der Finanzmärkte orientierte.

In Griechenland hat die Pasok, obwohl es innerhalb der Partei gärte, alle großen Sparprogramme der vergangenen Jahre mitgetragen. Für eine soziale Politik, für Umverteilung oder gar eine Abkehr von dem in der EU etablierten wirtschaftsliberalen Kurs hatten die Sozialdemokraten nur leere Worthülsen zu bieten. Nicht einmal die von ihnen propagierte EU-weite Finanztransaktionssteuer, die zu einer Zähmung der Finanzmärkte beitragen sollte, ließ sich realisieren.

So wie in Italien droht bei einigen sozialdemokratischen Parteien nun eine neue Richtungsdebatte. Sie wird auch vor der SPÖ nicht haltmachen. „Die SPÖ und Werner Faymann müssen jetzt auf europäischer Ebene mit dieser falschen Politik brechen. Der Wahlerfolg muss nicht nur Griechenland, sondern ganz Europa Hoffnung geben“, so die Vorsitzende der Sozialistischen Jugend Österreich, Julia Herr, unmittelbar nach Bekanntgabe des griechischen Wahlergebnisses.

„Wir brauchen jetzt eine linke Kraft auch in Österreich“, schlägt der langjährige SPÖ-Europaabgeordnete Herbert Bösch in dieselbe Kerbe. Entweder müsse diese Kraft innerhalb der Sozialdemokraten etabliert werden. Wenn das nicht gelinge, „müssen wir eine neue Gruppe gründen“, so der streitbare Vorarlberger im Gespräch mit der „Presse“. Er kritisiert, dass die Sozialdemokratie zur wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich keine adäquate Antwort gefunden habe.

Bösch stellt aber auch eine Verbindung zu den jüngsten Erfolgen der rechten Parteien in der EU her. „Wenn wir keine linke Antwort haben, dann kommen die Rechten zum Zug.“

Rechte auf gleichem Kurs

Längst haben sich extreme linke und extreme rechte Gruppen in ihren Forderungen nach einem Ende des Sparkurses und nach einer radikalen wirtschaftlichen Wende weg vom Kapitalismus angeglichen. Kein Wunder also, dass die rechte italienische Oppositionspartei Lega Nord den Wahlsieg der Syriza feiert, als wäre es ihr eigener. „Die Griechenland-Wahl ist eine Ohrfeige für die europäische Sowjetunion des Euro, der Arbeitslosigkeit und der Banken“, jubelte Lega-Nord-Chef Matteo Salvini.

Auf einen Blick

Richtungsdebatte. Der Sieg der linksextremen Syriza hat in der Sozialdemokratie einen Richtungsstreit ausgelöst. Die neue Linke droht in den Krisenländern den etablierten Parteien das Wasser abzugraben. In Spanien könnte die Bewegung Podemos vom Syriza-Erfolg profitieren und die Sozialdemokraten bei den anstehenden Wahlen marginalisieren. In Italien droht der linke Flügel von Renzis Partito Democratico mit Abspaltung. Aber auch in der SPÖ werden Stimmen für einen Kurswechsel laut.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2015)

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