Griechenland: Der Realitätsschock nach dem Sieg

(c) REUTERS (MARKO DJURICA)
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Der Führer der Linken, Alexis Tsipras, ist neuer griechischer Premier. Seine Wahlversprechen wird er nicht umsetzen können.

Wien. Schnell ist es für Alexis Tsipras gegangen. Nicht einmal 24 Stunden nachdem die Wahllokale am Sonntag geschlossen haben, wurde der Führer der linkspopulistischen Syriza am Montagnachmittag in Athen zum neuen Premierminister Griechenlands angelobt. Bereits am Vormittag einigte sich Tsipras, dessen Partei mit einem Ergebnis von 36,3 Prozent zwar klar die Wahl gewonnen, aber die absolute Mehrheit verfehlt hatte, mit dem kleinen rechtspopulistischen Bündnis Unabhängige Griechen auf eine Regierung: eine Zusammenarbeit, die bereits im Vorfeld der Wahl als sehr wahrscheinlich gegolten hat. Denn die beiden Parteien eint zwar ihr Kampf gegen die Sparauflagen, bei anderen Themen liegen sie aber weit auseinander.

Doch es sind vor allem die wirtschaftliche Situation und die sozialen Folgen ebendieser, welche die griechische Politik zurzeit dominieren. Und Alexis Tsipras hat die Wahl deshalb gewonnen, weil er den Griechen vieles versprochen hat. Versprechen, die er nun jedoch nicht wird halten können.

Ein Kernpunkt von Tsipras' politischer Botschaft war bisher, dass Griechenland einen neuen Schuldenschnitt brauche, um wieder auf die Beine zu kommen. Bereits 2011 erließen private Geldgeber Athen „freiwillig“ 107 Milliarden Euro. Seither ist der Schuldenberg Griechenlands jedoch wieder stark angewachsen und beträgt 322 Milliarden Euro – oder fast 180 Prozent des BIPs. Bis 2016 soll dieser Berg zwar auf 158 Prozent des BIPs zurückgehen, Tsipras will jedoch einen sofortigen Erlass eines Großteils dieser Schulden. Davon wären nun jedoch kaum mehr private Investoren betroffen, die wegen höherer Zinsen einst griechische Anleihen kauften, sondern der Internationale Währungsfonds (IWF), die Europäische Zentralbank (EZB) und vor allem die Steuerzahler der anderen Euroländer, weil diese Griechenland seit 2010 finanzieren (siehe Grafik).

Klares Nein zum Schuldenschnitt

Von der EZB gab es bereits am Montagvormittag ein klares Nein zu einer Beteiligung an einem Schuldenschnitt. Das wäre der Zentralbank auch verboten, da sie so eine verbotene Staatsfinanzierung durchführen würde. Aber auch in den anderen Euroländern wird ein neuerlicher Schuldenerlass kritisch gesehen. Zumal Griechenland diese Kredite zum Teil erst ab 2025 zurückzahlen muss und von den anderen Ländern auch nur niedrige Zinsen verlangt werden. So zahlte der griechische Staat 2014 durchschnittlich 2,46 Prozent Zinsen. Österreich zahlte auf dem Kapitalmarkt hingegen 2,9 Prozent, Italien sogar 3,38 Prozent – auch für jene Gelder, die zu geringeren Zinsen an die Griechen weitergeleitet wurden.

Aber nicht nur beim Schuldenschnitt stößt Athen auf Widerstand. Denn Wahlsieger Tsipras will darüber hinaus auch den strikten Sparkurs beenden und 11,6 Milliarden Euro für ein neues Sozialprogramm ausgeben (laut griechischem Finanzministerium dürfte das Programm sogar mehr als 17 Milliarden kosten). Dabei sollen nicht nur der Strompreis für 300.000 Haushalte subventioniert und kleine Pensionen aufgestockt werden, es sollen auch die Kürzungen bei Mindestlöhnen aufgehoben und tausende gekündigte Beamte wieder eingestellt werden.

Gerade Lohnkürzungen und Bürokratieabbau waren aber Forderungen der Troika aus EU, EZB und IWF für die Finanzhilfen. Der IWF stellte bereits Anfang Jänner sämtliche Zahlungen auf „Halten“. Ohne diese Gelder kann Griechenland seine finanziellen Verpflichtungen nicht erfüllen. So müssen im ersten Quartal bereits 4,5 Milliarden Euro an Zinsen und Tilgungen geleistet werden, im Sommer stehen weitere 6,5 Milliarden Euro an. Spätestens dann droht Griechenland ohne frische Gelder die Staatspleite.

Dass die Troika einem so drastischen Aufweichen des Sparkurses zustimmt, gilt als ausgeschlossen, da dieser ja nicht ohne Grund verlangt wurde. Nur so konnte Griechenland in den vergangenen fünf Jahren sein Defizit von minus 15 Prozent auf nahezu null reduzieren und die Lohnstückkosten deutlich senken. Und nur durch eine gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit kann das Land auch wieder auf die Beine kommen.

Will Tsipras, wie von ihm so oft beschworen, dass Griechenland im Euro bleibt, wird er viele seiner Versprechen schon bald brechen müssen. Allerdings mehren sich auch im Norden die Stimmen, wonach Griechenland eine Zukunftsperspektive abseits des Sparens brauche. Es ist also wahrscheinlich, dass man Tsipras etwa bei Ausgaben für Investitionen entgegenkommt. Dann wäre der Realitätsschock in Athen nicht ganz so groß.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2015)

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