Angst vor neuem Libanon-Krieg

Burning vehicles are seen near the village of Ghajar on Israel´s border with Lebanon
Burning vehicles are seen near the village of Ghajar on Israel´s border with Lebanon(c) REUTERS (STRINGER)
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Die Hisbollah tötet an der Grenze zwei israelische Soldaten und verletzt mehrere weitere. Israel schießt mit Brandmunition auf eine Ortschaft zurück. Auch ein UN-Soldat stirbt.

Jerusalem. Die Lage an der Grenze zwischen dem Libanon und Israel ist am Mittwoch massiv eskaliert: Kämpfer der schiitischen Hisbollah-Miliz beschossen nahe des Grenzzauns eine Gruppe israelischer Militärfahrzeuge mit Panzerfäusten oder Panzerabwehrraketen und zündeten zusätzlich Sprengladungen am Straßenrand. Dabei wurden mindestens zwei israelische Soldaten getötet und sieben verletzt.

Als Vergeltung beschoss israelische Panzerartillerie libanesisches Gebiet, darunter das Grenzdorf Ghadschar. Dabei wurde nicht nur eine noch ungenannte Zahl von Zivilisten verletzt, sondern auch ein Soldat der Unifil-Friedenstruppe getötet: nämlich ein 36-jähriger Soldat der spanischen Armee.

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Rache für Angriff auf Hisbollah-Leute

Die Hisbollah gab bekannt, dass der Angriff Rache für den Tod ihres Kommandanten Jihad Mughniyeh gewesen sei. Er und fünf weitere Kämpfer waren vor einer Woche bei einem Präzisionseinsatz der israelischen Luftwaffe in Südsyrien getötet worden. Bei dem Luftangriff bei Kuneitra starben außerdem mehrere Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden, darunter ein General.

Die spanische Regierung forderte eine Untersuchung der Umstände des Todes des Soldaten. Israel habe sich allerdings gleich entschuldigt, sagte Außenminister José García-Margallo. Die Unifil-Truppe im Südlibanon besteht aktuell aus etwa 10.200 Blauhelmen und einigen hundert zivilen Mitarbeitern. Unter den etwa 37 Teilnehmerstaaten von Armenien über Finnland und Indien bis Tansania ist auch Österreich mit derzeit rund 170 Mann. Sie befänden sich 50 Kilometer vom Gefechtsort entfernt in Sicherheit, heißt es aus dem Verteidigungsministerium.

Israel beschießt Ortschaft mit Phosphor

Wie man auf Fotos erkennt, setzte Israels Artillerie offenbar umstrittene Phosphor-Munition ein: Die Granaten explodierten über dem libanesischen Ort und entließen einen Regen aus weißem Phosphor, eine lang brennende, schwer löschbare Substanz. Diese Munition ist zwar per se nicht völkerrechtlich verboten, doch verbietet die Genfer Konvention über den Einsatz bestimmter konventioneller Waffen von 1980/81 den Einsatz von Brandmunition gegen die Zivilbevölkerung.

Fast neun Jahre liegt der letzte Libanonkrieg zurück: Eine israelische Offensive hatte 2006 die Befreiung zweier in Geiselhaft geratener Soldaten zum Ziel, die beide, wie sich herausstellte, schon während des Überfalls der Hisbollah auf ihre Patrouille gestorben waren. Der Krieg forderte fast 600 Tote im Libanon und 163 israelische Opfer. Teil des Waffenstillstandsabkommens war die Entwaffnung der Hisbollah und die Stationierung libanesischer Truppen im Südlibanon.

Eigentlich haben weder Israel noch die Hisbollah Interesse an Eskalationen. Die Extremisten kämpfen in Syrien mit Präsident Bashar al-Assads Truppen gegen die Rebellen. Das Letzte, was die Hisbollah braucht, ist eine zweite Front. Für Israel kam der Angriff überraschend. Zwar rechnete man mit einer Racheaktion, nicht aber an der libanesischen Grenze, wo so etwas rasch zum Krieg wird.

Auch der Berg Hermon auf der israelischen Seite des Golan geriet gestern unter Granatwerferbeschuss, in diesem Fall aus Syrien. Opfer gab es nicht, auch hier feuerten Geschütze zurück. „Solange es hier keine Toten unter israelischen Soldaten oder Zivilisten gibt“, schreibt der Militärexperte Ron Ben-Ischai, „wird die Reaktion mit Bedacht ausfallen.“ Die „rund 20 Geschützsalven“ hätten auf syrischer Seite kaum Schaden angerichtet, allerdings würden die Kosten für die Militäroperationen in Nordisrael zusehends drücken, auch der Tourismus leide.

Weitere Attacken befürchtet

An der Grenze zum Libanon blieben Straßen gesperrt, Anwohner waren aufgefordert, zuhause zu bleiben. Aus Sorge vor einer Ausweitung der Gefechte flohen viele libanesische Familien aus dem Südlibanon gen Norden. Der Hisbollah-nahe TV-Sender Al-Manar berichtete über den Angriff und „viele Verletzte in den Reihen des Feindes“. Der israelische Hörfunk bewerte die „übertriebene Siegesbotschaft“ der Hisbollah als Signal, dass sie damit ihre Mission der Vergeltung für Mughniyeh und seine Kameraden als erledigt sehe. Der Analyst Ben-Ischai vermutet aber, dies sei nur ein erster Schlag gewesen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2015)

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