Italien: Renzi sucht einen gefügigen Präsidenten

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ITALY PARTIES PRESIDENT(c) APA/EPA/ALESSANDRO DI MEO (ALESSANDRO DI MEO)
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Ab Donnerstag wird im Parlament der neue Staatschef gekürt. Für Renzi und Berlusconi wird die Wahl zur Machtprobe.

Rom. Das italienische Parlament ist an diesem Donnerstag zur Wahl eines neuen Staatspräsidenten einberufen, und wenn die Sache schiefgeht, gibt es am Ende des Tages tatsächlich einen. Klingt verwirrend? In Italien nicht wirklich: Italiener sind daran gewöhnt, dass es bei solchen Gelegenheiten zu politischen Unfällen kommen kann, auch zu schweren. Und mancher hebt warnend – oder hoffend, je nach Geschmack – bereits den Finger: Auch die Parlamentswahl in Griechenland mit dem für Europa zweifelhaften Sieg von Alexis Tsipras war das Resultat der verpatzten Wahl eines Staatschefs.

Schmusekurs mit Berlusconi

Die Regie der Wahl führt Premier Matteo Renzi. Er versucht es zumindest; er will dem Publikum sein Meisterstück an politischer Durchsetzungskraft vorlegen. Mit der eigenen Koalition – Sozialdemokraten, abgesprungenen Berlusconianern, Zentristen – käme Renzi rechnerisch durchaus hin, aber Verlass ist darauf nicht. Als Partner fällt die Fünf-Sterne-Bewegung von Beppe Grillo aus, die wollte mit Renzi nicht einmal reden. Also bleibt wieder einmal nur Silvio Berlusconi, aber sowohl in dessen Forza Italia (FI) als auch in Renzis Partito Democratico (PD) gibt es genügend Abgeordnete, die sich dem Schmusekurs widersetzen. Da die Wahl geheim abläuft, kann straflos jeder auf den Stimmzettel schreiben, wen er will. Die Erwartung, dass es zu einer Generalabrechnung kommt mit den jeweiligen Parteichefs, liegt nahe.

Das Bündnis zwischen Renzi und Berlusconi, das schon einige entscheidende Reformen ermöglicht hat – beim Arbeitsrecht, beim Wahlgesetz, bei der Verschlankung des Parlaments – heißt Nazarenerpakt nach der römischen Straße, in welcher der PD seinen Sitz hat. Darauf bezieht sich auch die Bewegung, die – ausgehend von den Linken aus Renzis Partei – in den vergangenen Tagen weit um sich gegriffen hat: Sie suchen einen „N.N.“, einen „Nichtnazarener“ als Staatschef. Und wer weiß, wie die untergründigen Strömungen des Parlaments zusammenfinden, um den Chefs die Felle davonschwimmen zu lassen. Bricht aber der Damm des Pakts, ist Renzis Regierungs- und Reformbasis dahin. Genauso, wenn sich herausstellt, dass der neue Staatschef seinen Sieg nicht der Regierungspartei, sondern den Berlusconianern zu verdanken hat.

Auf genau diese Bloßstellung des „Verräters“ Renzi arbeiten die Dissidenten in dessen eigenen Reihen hin. Bewusst den Nazarenerpakt torpedierend und vorwärtsgetrieben vom Erfolg des Alexis Tsipras in Griechenland verlangt der linke Flügel der Sozialdemokraten einen Staatspräsidenten aus den eigenen Reihen. Die Rechten wiederum wollen nach den neun Jahren des Ex-Kommunisten Napolitano „nicht schon wieder so einen“. Berlusconi fordert die Belohnung für so manche Abstimmungshilfe, die er Renzi gewährt hat. Linke Sozialdemokraten wiederum bringen Romano Prodi ins Gespräch, um Berlusconi zu ärgern; aber man weiß nicht, wie ernst sie das meinen, nachdem ausgerechnet Parteigenossen denselben Prodi vor nicht einmal zwei Jahren bei der Wahl zum Staatschef schon einmal sabotiert haben.

Leere Stimmzettel geplant

Links und rechts fänden vergleichsweise mühelos zueinander in der Person des Ex-Premiers und heutigen Verfassungsrichters Giuliano Amato. Den aber mag Renzi nicht. Zum einen, weil der 77-Jährige nicht zu seinem Ziel einer „Verschrottung der alten Politikergarde“ passt, zum anderen, weil Renzi sich von niemandem etwas vorschreiben lassen will. Wen er selbst auf den Quirinalshügel hieven möchte, sagt Renzi nicht.

Da sich weder Renzi noch Berlusconi ihrer gemeinsamen Mehrheit sicher sein können, werden sie den Abgeordneten für die ersten drei Wahlgänge am Donnerstag und Freitag nicht mal einen Kandidaten vorschlagen. Leere Stimmzettel sollten sie abgeben, lautet die Stallorder. Erst am Samstag dann, wenn im vierten Wahlgang die absolute Mehrheit reicht, will Renzi seinen Mann oder seine Frau benennen – und dann durchmarschieren. So hat er es angekündigt. Wählen werden aber tausend andere Personen. Forza-Italia-Fraktionschef Renato Brunetta versucht es mit einem anderen Druckmittel: „Wenn die Weltbörsen Montagfrüh aufmachen, muss Italien ein neues Staatsoberhaupt haben.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2015)

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