Nach der Wahl Sergio Mattarellas zum Präsidenten lecken die Verlierer um Silvio Berlusconi ihre Wunden.
Kaum gewählt, schon ein Rekord. Sergio Mattarella wird in die Geschichte Italiens eingehen als der Staatspräsident mit dem kürzesten ersten Satz, genau 18 Wörter: „Mein Gedanke gilt hauptsächlich, vor allem den Schwierigkeiten und den Hoffnungen unserer Mitbürger. Und jetzt ist's gut. Danke.“ Dann fuhr Sergio Mattarella in seinem kleinen, grauen privaten Panda weg – und zwar zu den Ardeatinischen Höhlen, in denen die Nazi-Besatzer 1944 insgesamt 335 römische Geiseln abgeschlachtet haben. Stilles Gedenken, den Opfern von Diktatur und Terror gewidmet. Ein „privater Besuch“, hieß es hinterher.
Es war die erste Symbolhandlung des neuen Staatsoberhaupts – genauso symbolisch und eben nicht mehr privat wie der gewohnte Besuch der Sonntagsmesse am Morgen danach. Zu Fuß, in diesem Fall. „Betet für mich“, soll Mattarella zu einigen überraschten Ordensfrauen gesagt haben. Das klang schon sehr nach Papst Franziskus.
70 Abtrünnige bei der Forza Italia
Derweil lecken die Verlierer ihre Wunden. „Da haben wir nicht sehr gut abgeschnitten“, gibt Maurizio Gasparri zu, ein enger Gefolgsmann Silvio Berlusconis. Dessen Forza Italia hat sich bei der Wahl des Staatspräsidenten in den vereinten Kammern des Parlaments selbst auseinandergenommen. 142 leere Stimmzettel wären in den Urnen gelegen, hätten sich alle Abgeordneten an die Stallorder gehalten – es waren aber nur 105. Und von denen kamen auch nicht alle von der Forza Italia, so viel ist sicher. In der Fraktion rechnete man am Tag danach mit bis zu 70 Abtrünnigen aus dem eigenen Lager. Das heißt, die Hälfte von Berlusconis Truppen ist nicht der Parteilinie gefolgt. Die Forza Italia schäumt, Renzi habe durch die überfallsartige, einseitige Nominierung Mattarellas den „Nazarener-Pakt“ verraten, in dessen Rahmen Berlusconi den Sozialdemokraten seine Unterstützung bei diversen Reformen gewährt hat. Aber noch kündigte keiner diesen Pakt auf.
Schmusekurs „Nazarener-Pakt“
Berlusconi steht in der eigenen Partei von mindestens zwei Seiten unter Druck: Da ist der Europaabgeordnete Raffaele Fitto – dem Alter, dem Temperament und dem Drang zum Generationswechsel nach ein Typ wie Renzi. Fitto hat den Schmusekurs des „Nazarener-Pakts“ immer schon abgelehnt, er versammelt einen bedeutenden Teil der innerparteilichen Opposition hinter sich und attackiert Berlusconis Alleinherrschaft durch die Forderung nach Führungswahlen.
Die zweite Gefahr besteht in der rechtsextrem orientierten, ausländerfeindlichen Lega Nord, die mit dem jungen, hemdsärmeligen Matteo Salvini ebenfalls einen „Verschrotter“ à la Renzi zum Vorsitzenden gewählt hat und die sich nun von ihren „padanischen“ Gebieten im Norden Italiens aus auf das ganze Land ausbreitet.
Berlusconi will derweil seinen Sozialdienst im Februar loswerden, um endlich wieder politisch loslegen zu können. Die Staatsanwaltschaft sprach sich indessen gegen eine Verkürzung der Strafe aus, weil es der Milliardär an „guter Führung“ fehlen ließ.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2015)