AfD: Ein Parteitag, aber zwei Parteien

AfD-Chef Bernd Lucke
AfD-Chef Bernd LuckeAPA/EPA/INGO WAGNER
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Bernd Lucke, bisheriger Frontmann der "Alternative für Deutschland", fühlt sich als Sieger, aber seine Ko-Sprecherin Petry hat Oberwasser.

Bremen. Die AfD, das sind erstaunlich viele Männer mit viel zu kurzen Paisley-Krawatten. Und die AfD ist vor allem eins: alt. Und männlich. Auf dem Parteitag der Alternative für Deutschland (AfD) im Congress Center in Bremen fügt sich das zu einem eintönigen Bild: graues Haar vor grauem Hintergrund, graue Anzüge vor dem grauen Bremer Himmel, der Teil der Kulisse ist, die Bernd Lucke und Frauke Petry für ihren Machtkampf am Wochenende gewählt haben.

Auch wenn im Vorfeld alle innerparteilichen Streitigkeiten für beendet erklärt wurden: Für die AfD-Mitglieder ist dieser Parteitag der wichtigste in der jungen, turbulenten Geschichte ihrer Partei. Die Teilnehmer wollen sich deklarieren: Es geht um liberal gegen rechts außen, um Eurokrisenpolitik gegen Überfremdung. Die Liberalen – das sind die Leute, die sich um Bernd Lucke scharen, den Gründer der Partei; die von rechts außen wollen Frauke Petry auf den Schild heben. Gemeinsam mit Lucke und Konrad Adam, einem langjährigen Feuilleton-Redakteur von „FAZ“ und „Welt“ bildet Petry die Führungstroika der AfD.

"Haben stümperhaft gearbeitet"

Die Sächsin ist der heimliche Star auf dem Parteitag, den Lucke eigentlich zur Krönungszeremonie machen wollte. Künftig soll ein Parteichef die AfD anstelle des dreiköpfigen Sprechergespanns führen. „Wir haben in der Vergangenheit stümperhaft gearbeitet“, sagt Lucke auf der Bühne in Bremen. „So kann es nicht weitergehen.“ Lucke will die Partei allein lenken: „Ich bin kein Teamplayer.“ Und: „Es soll nicht so sein, dass Sprecher A für die Europapolitik zuständig ist und Sprecher B Pegida vertritt.“

Dieser Umstand war für die AfD zuletzt tatsächlich zum Problem geworden. Der Wirtschaftsprofessor Lucke hatte den rechten Rand so weit in die Partei gelockt, dass plötzlich die damalige Pegida-Sprecherin, Kathrin Oertel, bei Frauke Petry anklopfte. Und Petry war nicht abgeneigt, sich mit Oertel zusammenzutun: Petry will die AfD zur Anti-Einwanderungspartei machen. Lucke ging das zu weit, war es doch er, der die AfD-Agenda primär auf wirtschaftliche, EU-kritische Pfeiler geschlagen haben wollte.

Vernünftig versus mitreißend

Die AfD-Mitglieder beobachteten in Bremen besorgt den offensichtlichen Führungs- und Richtungsstreit in ihrer Partei, gleichzeitig befeuerten sie ihn. Sie taten in den zwei Veranstaltungshallen sehr schnell sehr gern kund, wieso sie angereist waren: abwechselnd wegen Lucke, dem Vernünftigen, oder wegen Petry, der Mitreißenden.
Die beiden heimlichen Kontrahenten saßen am Samstag nicht einmal im selben Saal. Der Bundesparteitag lockte so viele AfD-Mitglieder nach Bremen, dass kurzerhand neben dem großen Saal des Congress Centers auch das Musicaltheater angemietet wurde. Selbst die Teilnehmer scheinen nach Zugehörigkeit zum jeweiligen Parteiflügel verteilt worden sein. Die Abstimmungsergebnisse aus den beiden Sälen, die per Standleitung miteinander verbunden sind, weichen so stark voneinander ab, dass man glauben könnte, es handle sich um zwei verschiedene Parteien.

Und Lucke merkt, dass ihm die Macht entfleucht. Konzentriert sieht er auf der Leinwand des Musicaltheaters zu, wie Petry für ihre harte, eloquente Rede bejubelt wird. Gestreng blickt er bei Abstimmungen in den Saal, wenn die Mitglieder anders votieren als er – als ob es verboten sei. Lucke hält sich für den Vater der Partei. Vor ihm liegt – sinnbildlich für seine Politik – eine flache, rote Tupperdose. Sich selbst die Butterbrote auf Parteiveranstaltungen mitzubringen, sagte Lucke einmal, sei keine Schande in wirtschaftlichen Krisenzeiten.

Liberal vs. rechtspopulistisch

Egal, ob Lucke- oder Petry-Anhänger: Die Teilnehmer sind hier, weil sie alle ein bisschen zu weit rechts stehen für das moderne Konsens-Deutschland von Angela Merkel, der „allmächtigen Mutter“. Schuld an grundsätzlich allem seien die Presse und die „Altparteien“. Die AfD-Mitglieder haben Angst vor dem Freihandelsabkommen TTIP und der Islamisierung, denn sie lieben Deutschland: Als auf dem Vorplatz des Congress Centers die Gegendemonstration ankommt, stellen sich einige AfD-Aktivisten auf den Balkon und schmettern den Demonstranten die deutsche Hymne entgegen – voller Inbrunst, in Jubel- und Siegesposen, zuweilen mit schwarz-rot-goldenen Krawatten.

Bernd Lucke ist ein solcher Habitus fern. Vielleicht ist ihm auch seine Partei fern geworden. In Bremen merkt nicht nur er das, sondern auch der liberale Flügel, der mit den jungen, wilden Rechtspopulisten nichts zu tun haben will.
Als Luckes Antrag auf Umgestaltung der Parteiführung – die im Spätherbst 2015 passieren soll – angenommen wird, ist es kein glanzvoller Sieg. Und auch wenn Lucke jubelt, als hätte er eine Präsidentschaftswahl gewonnen, weiß er ganz genau, dass im Dezember 2015 der AfD-Chef nicht Lucke, sondern Petry heißen könnte.

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