Parlamentswahl: Erdogan bringt seine Kinder in Stellung

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TURKEY LOCAL ELECTIONS(c) APA/EPA/MAHMUT SERDAR ALAKUS/ANA (MAHMUT SERDAR ALAKUS/ANADOLU AGE)
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Zwei Kindern des Präsidenten werden politische Ambitionen nachgesagt. Parteiintern haben sie jede Unterstützung.

Istanbul. Vier Monate vor der Parlamentswahl in der Türkei bereitet Präsident Recep Tayyip Erdoğan offenbar eine ganz besondere Überraschung vor: Seine 30-jährige Tochter könnte als Kandidatin für das Parlament antreten. Sümeyye Erdoğan, die ihren Vater als inoffizielle Beraterin unterstützt, hat sich selbst noch nicht zu dem Plan geäußert. Doch auch die Opposition in Ankara geht davon aus, dass demnächst eine zweite Generation Erdoğan im Parlament sitzt.

Der Politikwissenschaftlerin Sümeyye Erdoğan werden seit einiger Zeit Ambitionen auf eine Karriere im Parlament oder in der Regierung nachgesagt. Bisher dementierte sie diese Berichte – diesmal kam von ihr kein Wort. „Denen liegt die Politik im Blut“, sagte der AKP-Vizechef, Süleyman Soylu, kürzlich über die Erdoğans. Er würde es deshalb begrüßen, wenn Sümeyye bei der Parlamentswahl antreten sollte.

Soylu würde sich wohl kaum ohne Segen des Staatsschefs mit einem solchen Vorschlag an die Öffentlichkeit wagen. Als Präsident musste Erdoğan zwar den AKP-Vorsitz abgeben, doch er ist immer noch die oberste Instanz in der Regierungspartei. Für die Parlamentswahl im Juni strebt er für die AKP mehr als 50Prozent der Stimmen an, um anschließend per Verfassungsänderung die Umstellung auf ein Präsidialsystem in der Türkei durchsetzen zu können.

„Wie ein Dolchstoß“

Auch bei der Auswahl der AKP-Parlamentskandidaten liegt das letzte Wort beim Präsidenten. Viele seiner Verbündeten wollen laut Presseberichten kandidieren, darunter auch Geheimdienstchef Hakan Fidan, der bereits als künftiger Minister gehandelt wird. Bülent Tezcan, Vizechef der Oppositionspartei CHP, rechnet nach eigenen Worten damit, dass neben Sümeyye auch Erdoğans Sohn Bilal für einen Parlamentssitz kandidieren wird. Bei einem Erfolg wären zwei der vier Kinder des Präsidenten in der Volksvertretung.

Tezcan zufolge geht es Erdoğan nicht nur darum, möglichst viele Vertraute ins Parlament zu bringen. Als Abgeordnete wären Erdoğans Kinder vor Strafverfolgung geschützt. Und das sei angesichts der immer noch gärenden Korruptionsaffäre auch nötig.

Laut Telefonmitschnitten, die im Internet veröffentlicht wurden, halfen Sümeyye und Bilal ihrem Vater, Millionensummen vor der Staatsanwaltschaft zu verstecken. Erdoğan hat die Mitschnitte als Manipulationen und Teil einer Verschwörung des islamischen Predigers Fethullah Gülen zurückgewiesen. Der Präsident wirft seinem ehemaligen Unterstützer Gülen vor, er wolle die Regierung in Ankara stürzen. Sümeyye liegt da ganz auf der Linie ihres Vaters: Die Korruptionsvorwürfe seien „wie ein Dolchstoß“ gewesen, sagte sie kürzlich.

Wie die neue Generation Erdoğan bei den Wählern ankommt, ist ungewiss. Einige aktuelle Umfragen sehen Einbußen der AKP, die demnach bei 40 bis 45Prozent liegt. Laut dem Meinungsforscher Murat Gezici hat die Korruptionsaffäre viele AKP-Wähler vergrätzt. Zudem sei der fromme Flügel der Regierungspartei wegen der Bestechlichkeit von Regierungspolitikern enttäuscht. Ein Bündnis kleinerer Rechtsparteien könnte deshalb zu einer Alternative für AKP-Wähler werden. Eine der Fragen im kommenden Wahlkampf wird sein, ob Sümeyye Erdoğan diese unzufriedenen Anhänger ihres Vaters wieder für die AKP gewinnen kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2015)

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