Ukraine: Hoffnung auf Frieden sinkt

UKRAINE CRISIS
UKRAINE CRISIS APA/EPA/IVAN BOBERSKYY
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Ein Gipfel in Minsk soll einen Ausweg aus der völlig verfahrenen Lage bieten. Auch die Separatisten sollen mit am Tisch sitzen.

„Wir haben keine Chance, also nützen wir sie.“ So könnte man den Mut der Verzweiflung beschreiben, mit dem versucht wird, den Krieg im Osten der Ukraine doch noch auf dem Verhandlungsweg beizulegen. Für Mittwoch ist in der weißrussischen Hauptstadt, Minsk, ein Gipfel angesetzt, an dem die Hauptkontrahenten, Russlands Präsident Wladimir Putin und sein ukrainisches Pendant  Petro Poroschenko teilnehmen werden. Auch die von Russland unterstützten Separatisten sollen dabei sein. Als diplomatische Puffersubstanz und Vermittler reisen Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident François Hollande an. Putin machte indes klar, dass ein Treffen nur Sinn habe, wenn man sich schon vorher auf wichtige Punkte einige.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow gab am Sonntag vor Journalisten bei der Münchner Sicherheitskonferenz den Optimisten: Er erwarte sich „wichtige Entscheidungen“ von dem Treffen. Auch Poroschenko war zuversichtlich, dass man sich zumindest auf einen bedingungslosen Waffenstillstand werde einigen können. Kurz zuvor hatte sein deutscher Kollege Frank-Walter Steinmeier ein fundamental anderes Bild gezeichnet: „Wir sind von einer politischen Lösung weit entfernt“, versetzte er den Hoffnungen einen empfindlichen Dämpfer: „Wir sind jetzt schon fast an einem Point of no Return angelangt“, nach dessen Überschreiten Lösungen am Verhandlungstisch ausschieden, sagte Steinmeier. Es wäre unverantwortlich, die vielleicht letzte Chance auszulassen, diesen Konflikt zu lösen. Er hat laut UN-Zahlen bisher 5000 Menschenleben gefordert, Sicherheitskreise gehen jedoch von einer viel höheren, fünfstelligen Zahl aus.

„Putin will keine diplomatische Lösung“

Gerade deshalb hält Steinmeier die von einigen US-Vertretern immer heftiger geforderte Lieferung von Waffen an die ukrainische Armee vor allem jetzt für „nicht nur hochriskant, sondern auch kontraproduktiv“. Gerade weil man die Region so gut kenne, sei Deutschland in diesem Punkt so hartnäckig, sagte Steinmeier, diplomatisch andeutend, dass man sich mit der Ukraine besser auskenne als jene US-Politiker, die jetzt so vehement Waffen für Kiew fordern.

Ein Beschluss könnte in Washington diese Woche fallen, das Weiße Haus steht unter zunehmendem Druck einflussreicher Senatoren wie John McCain. „Die Ukrainer werden abgeschlachtet, und wir schicken ihnen Decken und Nahrungsmittel? Decken sind aber nicht sehr wirkungsvoll gegen russische Panzer“, sagte McCain in München. Putin wolle keine diplomatische Lösung. „Wir müssen also für ihn dafür die Kosten erhöhen, dass er einen Krieg am Laufen hält, der laut ihm gar nicht existiert.“ Die Kosten erhöhen, diese Formulierung gebrauchte auch Außenminister John Kerry, ohne sich explizit für Waffenlieferungen auszusprechen.

Sogar Washingtons engster Bündnispartner Großbritannien, schließt sie derzeit aber aus, was den Riss verdeutlicht, der sich in dieser Frage durch den Westen zieht – mag Kerry in München noch so oft betonen, dass er keinen Riss erkennen könne, nicht einmal Potenzial dafür. Man diskutiere vielleicht über die Taktik, in der Strategie sei man geeint.

Deutschland geht auch auf Russland zu

„Die Ukrainer können nicht die russische Armee besiegen“, meinte der britische Außenminister Philip Hammond. So ähnlich sagten es auch sämtliche hochrangige deutsche Vertreter, die dafür wiederum explizit Lob von Russland ernteten. Überhaupt waren Merkel und Steinmeier bemüht, Russland trotz allem eine Hand entgegenzustrecken: „Dauerhafte Sicherheit in Europa kann es nur mit und nicht gegen Russland geben, aber das kann keine einseitige Erkenntnis sein“, sagte Steinmeier: Dauerhafte Sicherheit für Russland könne es auch nur mit Europa geben.

Nun versucht man also in Minsk die Quadratur des ukrainischen Kreises. In der Stadt, in der man bereits im September 2014 eine Vereinbarung geschlossen hatte, die jedoch weitgehend folgenlos blieb. Mittlerweile haben sich die Verhältnisse in der Ostukraine sehr zugunsten der Rebellen geändert.

NEUES TREFFEN

Minsk-Gipfel. Für Mittwoch ist in Minsk ein Gipfel aller ukrainischen Streitparteien geplant. Moderiert wird das heikle Gespräch von Angela Merkel und François Hollande.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2015)

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