Großbritannien: Labour-Chef im Kreuzfeuer britischer Manager

Labour Leader Ed Miliband Speaks At Opposition Party´s Annual Conference
Labour Leader Ed Miliband Speaks At Opposition Party´s Annual Conference(c) Bloomberg (Chris Ratcliffe)
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Der Labour-Oppositionsführer, Ed Miliband, will mit Politik für den kleinen Mann punkten – und bringt Wirtschaftsvertreter damit zur Weißglut.

London. Kaum ein Tag scheint zu vergehen, an dem der britische Oppositionsführer, Ed Miliband, nicht eine neue Kontroverse mit der Wirtschaft seines Landes auszufechten hat. Sein jüngster Vorstoß, die Möglichkeit auf bezahlten Vaterschaftsurlaub von zwei auf vier Wochen zu verdoppeln, stieß postwendend auf scharfe Kritik: „Das mag Stimmen bringen, verursacht aber echte Kosten für die Wirtschaft“, sagte John Longworth vom Interessenverband British Chamber of Commerce. Er ist nicht der einzige Wirtschaftsvertreter, der sich dieser Tage öffentlich gegen den Labour-Politiker stellt, dem eine konservative Tageszeitung einst den Beinamen „Red Ed“ umgehängt hat. Als der Chef der Drogeriemarktkette Boots, Stefano Pessina, vor einer Woche öffentlich erklärte, eine Regierung Miliband wäre eine „Katastrophe“, konnte er nicht ahnen, welche Lawine er lostreten würde.

Umgehend folgten weitere hochrangige Wirtschaftsvertreter wie der ehemalige Chef des Warenhauskonzerns Marks& Spencer, Stuart Rose, der Miliband vorwarf, „ahnungslos zu sein, wie Märkte arbeiten“. Die Wortspende wog umso schwerer, als Rose einst von Labour-Premier Gordon Brown zu einem seiner Wirtschaftsberater gemacht worden war. Eine Reihe ehemaliger Labour-Minister stimmten ebenfalls in den Chor der Kritiker ein.

Sondersteuer für Millionärswohnsitze

Die regierenden Konservativen können ihr Glück kaum fassen und wiederholen gebetsmühlenartig, dass Labour die Wirtschaft nicht anvertraut werden dürfe. Nachdem Schattenschatzkanzler Ed Balls, der wichtigste Wirtschaftspolitiker der Labour Party, in einem TV-Interview dann auch noch ins Stottern geraten ist, als er auch nur einen Wirtschaftsführer nennen sollte, der Labour unterstützt (seine Antwort: „Bill Somebody“), wurde im Tory-Hauptquartier vermutlich mit edlem Claret angestoßen.

Tatsächlich ist die Wirtschaftskompetenz eine der Kernstärken der Konservativen, und ihr Wahlkampfstratege, Schatzkanzler George Osborne, macht kein Geheimnis daraus, dass er die Wahlkampagne auf diesem Territorium führen will. Großbritanniens Wirtschaft wächst schneller als die jeder anderen Industrienation, und in Umfragen vertrauen doppelt so viele Briten den Konservativen in Fragen der Wirtschaft wie Labour.

Dieselben Umfragen zeigen aber auch den Wunsch der Mehrheit der Briten, dass die Parteien die Sorgen des kleinen Mannes ernst nehmen und über die Forderungen des Big Business stellen sollen. Milibands Forderung nach einem Einfrieren der Gaspreise vor zwei Jahren wurde in den Managementetagen wütend kommentiert, war aber in der Bevölkerung nach sieben Jahren fallender Reallöhne ungemein populär.

Keine absolute Mehrheit

Miliband hat daher auch nach der jüngsten Serien an Kritik nicht zurückgesteckt. Labour will bei einem Wahlsieg gegen Steueroasen vorgehen und eine Sondersteuer für Millionärswohnsitze einführen. Das Geld soll vorwiegend in das staatliche Gesundheitswesen gehen – das wiederum in der Labour-Propaganda dieser Tage das ist, was die Wirtschaft für die Tories darstellt: das Terrain, auf dem man die Wahlschlacht ausfechten möchte.

Auch wenn die konservativen Zeitungen ein Bild entwerfen, als würde eine Labour-Regierung unter Ed Miliband die Planwirtschaft plus skandinavischem Bemutterungssozialstaat (wie trist es um den einst weltweit vorbildlichen britischen Wohlfahrtsstaat steht, zeigt die Debatte um den Vaterschaftsurlaub) einführen wollen, lassen sich die Briten davon nicht übermäßig beeindrucken.

In den Umfragen liegen beide Parteien derzeit Kopf an Kopf, und Buchmacher halten erstmals einen Wahlausgang, bei dem keine Partei ein absolute Mehrheit erreicht, für das wahrscheinlichste Resultat. Weil die Abstände so knapp sind, wird umso härter gekämpft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2015)

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