Kiew droht kurz vor Waffenruhe mit "Kriegsrecht"

Ukraine sieht Waffenruhe
Ukraine sieht Waffenruhe "in großer Gefahr" REUTERS
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Die in Minsk vereinbarte Feuerpause soll in der Nacht in Kraft treten. Die Kämpfe in der Ostukraine verschärften sich jedoch erneut. Und der ukrainische Präsident Poroschenko

Ab Punkt Mitternacht soll eigentlich im Osten der Ukraine eine Waffenruhe gelten. Dies wurde vor Tagen beim Minsker Gipfeltreffen vereinbart. Nur wenige Stunden zuvor drohte allerdings der ukrainische Präsident Petro Poroschenko erneut, dass bei einem Scheitern der Waffenruhe das Kriegsrecht eingeführt werden könnte: „Wenn es keinen Frieden gibt, müssen wir die sehr schwere, aber notwendige Entscheidung treffen“, sagte er am Samstag in Kiew der Agentur Interfax zufolge.

Poroschenko hatte diese Drohung schon einmal, und zwar im Vorfeld des Misnker Gipfels ausgesprochen. Sollte es dazu kommen, rechnen Beobachter nicht nur mit einer militärischen Eskalation, sondern auch mit einem Staatsbankrott der Ukraine.

Bereits zuvor hatte Poroschenko Russland eine "deutliche Ausweitung" der Offensive in der Ostukraine vorgeworfen. Der prorussische Separatistenführer Alexander Sachartschenko sagte derweil in Donezk, er habe die Feuerpause angeordnet - mit Ausnahme des Verkehrsknotenpunktes Debalzewe. Dort sollen Tausende ukrainische Soldaten von den Aufständischen eingekreist sein, was die Führung in Kiew indes bestreitet. Sachartschenko sagte, er habe angewiesen, bei Debalzewe niemanden entkommen zu lassen.

Die Vereinbarung von Minsk sieht eine Waffenruhe vor, die am Sonntag um 00.00 Uhr in Kraft treten soll. Doch die Kämpfe in der Ostukraine verschärften sich in den vergangenen Stunden nochmals. Debalzewe stehe unter Dauerbeschuss der pro-russischen Rebellen, teilte die Kiew-treue Polizei in der belagerten Stadt am Samstag mit. In den vergangenen 24 Stunden habe es rund 120 Angriffe der prorussischen Rebellen gegeben, sagte Militärsprecher Anatoli Stelmach. In Debalzewe sollen Tausende ukrainische Soldaten eingekesselt sein. Kiew dementiert dies.

Die Rebellen in Donezk erklärten am Samstag, beim Beschuss der Stadt seien mindestens vier Zivilisten beim Beschuss getötet worden. In den beiden Tagen zuvor waren nach Angaben der Armee und der Separatisten 28 Soldaten und Zivilisten in der Ostukraine getötet worden. Die Armee berichtete am Samstag von 14 Toten im Konfliktgebiet innerhalb von 24 Stunden.

G7 drohen mit Sanktionen

Die sieben führenden Industriestaaten (G7) drohen den Konfliktparteien mit Sanktionen, sollten sie die Feuerpause missachten. In einer am Freitagabend verbreiteten Erklärung, die auch vom Präsidenten des Europäischen Rates und der Europäischen Kommission gezeichnet war, hieß es, die G7 sei "bereit, geeignete Maßnahmen gegen diejenigen zu ergreifen, die gegen das Minsker Paket verstoßen, und somit die Kosten für sie zu erhöhen, insbesondere gegen diejenigen, die die vereinbarte umfassende Waffenruhe und den Abzug schwerer Waffen nicht einhalten".

Überraschend brachte Russland am Freitagabend im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einen Resolutionsentwurf ein, mit dem die Konfliktparteien zur Einhaltung der in Minsk getroffenen Vereinbarungen aufgerufen werden. Nach Angaben der russischen Agentur Itar-Tass könnte über diesen Entwurf möglicherweise schon am Sonntag, wenige Stunden nach Inkrafttreten der Waffenruhe, abgestimmt werden.

USA: Russland plant Waffenlieferung

Die USA warfen unterdessen Russland vor, eine weitere Waffenlieferung an die prorussischen Separatisten zu planen. Russland habe entlang der Grenze eine große Lieferung von Nachschub vorbereitet, sagte die Sprecherin im Washingtoner Außenministerium, Jen Psaki. "Das ist eindeutig nicht im Geist der Vereinbarung dieser Woche." Alle Beteiligten seien angesichts der geplanten Waffenruhe zu Zurückhaltung aufgerufen. Russland bestreitet konsequent, den Aufständischen mit Waffen zur Seite zu stehen.

Der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk warf Putin vor, die Unterschrift für einen Friedensvertrag von Minsk nicht ernst zu meinen. Es könne kein Vertrauen in die russische Führung geben. sagte Jazenjuk der "Bild"-Zeitung (Samstag). "Putins größter Traum ist die Wiederherstellung der hegemonialen Kontrolle über die Ukraine, was eine neue UdSRR-Version ins Leben rufen könnte." Er habe "keine Zweifel" daran, dass Moskau alles tun werde, um den Friedensprozess anfällig zu machen und auf diesem Wege die Ukraine zu schwächen.

Unklar ist unterdessen, ob sich auch die Kämpfer des rechtsradikalen ukrainischen "Rechten Sektors" an die Waffenruhe halten werden. Im Falle eines ukrainischen Abzugs schwerer Technik und Artillerie aus dem Kriegsgebiet behalte sich der "Ukrainische Freiwilligenkorps" vor, Kampfhandlungen bis "zur völligen Befreiung ukrainischer Erde" fortzusetzen, erklärte Rechtsradikalen-Chef Dmytro Jarosch am Freitag via Facebook.

(APA/AFP/dpa)

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